Sachverhalt

Bei dem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um das Spannungsfeld zwischen dem Grundsatz der Unternehmenseinheit und den Auswirkungen der Zugehörigkeit zu einer Organschaft. Im Kern ging es um die Besteuerung von Dienstleistungen, die eine zu einer Organschaft gehörende Hauptniederlassung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat zugunsten ihrer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Zweigniederlassung erbringt. Fraglich war, ob auch auf eine solche Konstellation die vom EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache "Skandia America"[1] aufgestellten Grundsätze anzuwenden sind.

Die Klägerin ist ein Finanzinstitut mit Hauptsitz in Dänemark. Dieser ist Teil einer dänischen Organschaft. In Schweden unterhält sie zudem eine Zweigniederlassung, die dort jedoch nicht Teil einer Organschaft ist. Zur Ausübung ihrer Tätigkeit in nordeuropäischen Ländern verwendet die Klägerin für alle Zweigniederlassungen eine in weiten Teilen identische IT-Plattform. Die auf die Nutzung dieser IT-Plattform durch die schwedische Zweigniederlassung entfallenden Kosten rechnet die Hauptniederlassung gegenüber dieser ab.

Vor diesem Hintergrund beantragte die Klägerin bei der schwedischen Finanzverwaltung einen Vorabentscheid (eine Art verbindliche Auskunft). Dabei wollte sie u.a. wissen, ob der Umstand, dass die Klägerin in Dänemark einer Organschaft angehört, zur Folge hat, dass diese Organschaft im Verhältnis zur schwedischen Zweigniederlassung als eigenständiger Steuerpflichtiger zu betrachten ist.

Die schwedische Finanzverwaltung vertrat hierzu die Auffassung, dass die dänische Organschaft und die schwedische Zweigniederlassung als zwei getrennte Unternehmer anzusehen seien. Die Klägerin beantragte danach, gerichtlich festzustellen, dass die Zweigniederlassung und die Hauptniederlassung ein Unternehmer sind und somit die der Zweigniederlassung zugerechneten Kosten für die Nutzung der IT-Plattform nicht als Gegenleistung für einen Umsatz i. S. der MwStSystRL zu betrachten seien. Zur Begründung führte sie aus, dass die Zweigniederlassung die mit ihrer Tätigkeit verbundenen wirtschaftlichen Risiken nicht selbst trage und von der Hauptniederlassung abhängig sei. Folglich sei die Zweigniederlassung mangels Selbstständigkeit nicht als eigenständiger Unternehmer anzusehen. Auch der Umstand, dass die Hauptniederlassung Mitglied einer dänischen Organschaft ist, sei hierbei unerheblich. Eine Trennung der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung käme nur dann in Betracht, wenn die Zweigniederlassung selbst Mitglied einer schwedischen Organschaft wäre.

Das Vorlagegericht wollte vom EuGH wissen, ob die schwedische Zweigniederlassung einer Bank mit Hauptniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat als eigenständiger Unternehmer anzusehen ist, wenn die Hauptniederlassung zugunsten der Zweigniederlassung Dienstleistungen erbringt und die Hauptniederlassung in dem anderen Mitgliedsstaat einer Organschaft angehört, während die schwedische Zweigniederlassung nicht Teil einer schwedischen Organschaft ist.

Fraglich war aus Sicht des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen, ob auf einen Sachverhalt, wie er dem Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde lag, die vom EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache "Skandia America" aufgestellten Grundsätze anwendbar sind. In diesem Urteil hatte der EuGH seine Grundsatzentscheidung in der Rechtssache "FCE Bank"[2] zu Nichtsteuerbarkeit von Dienstleistungen zwischen Hauptsitz und Zweigniederlassung dahingehend eingeschränkt, dass eine im Drittland gelegene Hauptniederlassung und eine in einem Mitgliedsstaat gelegene Zweigniederlassung, die dort Mitglied einer Organschaft ist, nicht als ein Unternehmer anzusehen sind und daher Leistungen zwischen diesen beiden keine Innenumsätze i.S. des Urteils "FCE-Bank" darstellen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 MwStSystRL dahin auszulegen sind, dass die in einem Mitgliedstaat ansässige Hauptniederlassung einer Gesellschaft, die zu einer Mehrwertsteuergruppe i. S. v. Art. 11 MwStSystRL gehört, und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Zweigniederlassung dieser Gesellschaft für Mehrwertsteuerzwecke als getrennte Steuerpflichtige anzusehen sind, wenn die Hauptniederlassung für die Zweigniederlassung Dienstleistungen erbringt und ihr die Kosten für diese Dienstleistungen zurechnet.

 

Hinweis

Der EuGH hat im Ergebnis seine bisherige Rechtsprechung in der Rechtssache "Skandia America" bestätigt. Der in diesem Urteil aufgestellte Grundsatz findet auch Anwendung, wenn die Leistungen zwischen einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Hauptniederlassung, die zu einer Mehrwertsteuergruppe gehört, und einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Zweigniederlassung erbracht werden.

Das deutsche Recht ist von dem vorliegenden Urteil betroffen. Von der in Art. 11 MwStSystRL enthaltenen Möglichkeit, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig sind, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Bezie...

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