Leitsatz (amtlich)

Die den Steuerberater deswegen treffende Schadensersatzpflicht, weil er es versäumt hat, rechtzeitig eine steuerrechtliche Selbstanzeige zu stellen, umfasst auch die Erstattung der gegen seinen Auftraggeber wegen Steuerhinterziehung verhängten Geldstrafe einschließlich etwaiger Verteidigerkosten. Ein Verbot, die strafrechtliche Sanktion zivilrechtlich auf den Steuerberater zu überwälzen, gibt es nicht.

Zur Frage des anspruchsmindernden Mitverschuldens des Auftraggebers in einem solchen Fall.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 280; AO § 371

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 26.07.2016; Aktenzeichen 4 O 409/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 26.07.2016, Az.: 4 O 409/16, abgeändert und wie folgt gefasst:

1) Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 15.954,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2015 zu bezahlen, des weiteren 526,58 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 27.1.2016 (Beklagte zu 1)) bzw. seit 28.1.2016 (Beklagter zu 2)).

2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

III. Dieses Urteil sowie das vorbezeichnete Endurteil des LG Nürnberg-Fürth in dem aufrechterhaltenen Umfang sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.954,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung tatbestandlicher Feststellungen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Berufung und Anschlussberufung sind zulässig; die Berufung der Klägerin hat weitestgehend Erfolg, während die Anschlussberufung der Beklagten nur in ganz geringem Umfang begründet ist.

1. Zu Recht hat das LG die Beklagten für verpflichtet gehalten, der Klägerin und ihrem Ehemann - dem Zedenten - den Vermögensnachteil zu ersetzen, den sie dadurch erlitten haben, dass die hiermit beauftragten Beklagten eine Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO nicht rechtzeitig genug erstattet haben, um der Klägerin und dem Zedenten, die sich einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht hatten, Straffreiheit zu verschaffen. Die hiergegen von der Anschlussberufung geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

a) Einer Verurteilung zum Ersatz der Geldstrafen, die gegen die Klägerin sowie den Zedenten ausgesprochen worden sind, steht nicht entgegen, dass eine rechtmäßig verhängte Strafe - wovon hier auszugehen ist - grundsätzlich keinen zum Ersatz verpflichtenden Umstand i.S.d. § 249 BGB bilden kann, so dass es schon an einem ersatzfähigen Schaden fehlt. Entgegen diesem in der Vergangenheit allerdings vertretenen Standpunkt ist in der Rechtsprechung seit dem Urteil des Reichsgerichts vom 10.06.1942 (RGZ 169, 267) anerkannt, dass ein Anspruch des Mandanten gegen seinen steuerlichen oder rechtlichen Berater auf Erstattung einer gegen ihn festgesetzten Geldbuße oder Geldstrafe grundsätzlich in Betracht kommen kann (BGH, WM 1997, 328; WM 2010, 193). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt dies auch für den Fall einer vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung (eine fahrlässig bewirkte Steuerverkürzung stellt im Übrigen keine Straftat dar). Zu Unrecht beziehen sich die Beklagten für ihre Auffassung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 14.11.1996 und vom 15.04.2010 (WM 1997, 328 bzw. WM 2010, 993). Diese Entscheidungen befassen sich nicht mit dem Fall eines mit der Erstellung einer Selbstanzeige nach § 371 AO beauftragten Steuerberaters.

Vielmehr betreffen die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in den genannten Entscheidungen die Frage, ob der steuerliche Berater seinen Mandanten vor der Begehung einer vorsätzlichen Steuerstraftat zu bewahren hat; er hat diese Frage verneint und deshalb ausgesprochen, ein Mandant, der eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begehe, könne die sein Vermögen treffenden steuerstrafrechtlichen Folgen nicht auf seinen Berater abwälzen. Hierum geht es im Streitfall nicht. Vielmehr liegt der Fall so - wie in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 10.06.1942 ausgeführt -, dass die Beklagten der Klägerin und ihrem Ehemann "ihren Rechtsrat gerade in Kenntnis und auf der Grundlage der bereits geschehenen Steuervergehen und der dadurch an sich bestehenden Straffälligkeit zu erteilen hatten"; die bereits erfolgte Verwirklichung der steuerstrafrechtlichen Tatbestände war also gerade der Anknüpfungspunkt für die von den Beklagten übernommene Verpflichtung, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten den Mandanten Straffreiheit zu verschaffen.

b) Das LG hat die den Beklagten zuzurechnende Pflichtwidrigkeit des Steuerfachangestellten ... darin erblickt, dass dieser nicht sogleich nach der Besprechung vom 12.06.2012 schriftlich unter Vorlage der ihm am 12.06.2012 erteilten V...

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