Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 27.02.1998; Aktenzeichen 4 HKO 2438/98)

LG München I (Beschluss vom 12.02.1998; Aktenzeichen 4 HKO 2438/98)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 12.02.1998 und vom 27.02.1998 aufgehoben.

II. Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von DM 5,– bis DM 500.000,– verboten, im geschäftlichen Verkehr für seine anwaltliche Tätigkeit durch Werbespots im Hörfunk zu werben, in denen unter Verwendung von Verkehrsunfallgeräuschen und/oder Musikeinspielungen Rechtsfälle aus dem Verkehrsrecht geschildert sind nach Maßgabe der vom Antragsgegner in der 5. Kalenderwoche 1998 im Münchner Lokalsender … geschalteten Werbespots.

III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Der Antragsgegner, ein Rechtsanwalt, veranlaßte in der 5. Kalenderwoche 1998 im Münchner Lokalsender … die Sendung folgender Werbespots:

1. Werbespot:

Wir sehen uns vor Gericht wieder …

Hm, da brauchen Sie einen Rechtsanwalt –

(Musik-Einspielung …)

Kanzlei … Ihr Spezialist für Verkehrsrecht.

Nehmen wir an, der Sachverständige der Leasing-Firma schätzt den Restwert Ihres Wagens wegen eines Bagatellschadens wesentlich zu niedrig ein. Der Schaden ist viel zu stark wertmindernd berücksichtigt worden. Als Kunde können Sie dagegen etwas tun.

Kanzlei …, Ihr Spezialist für Verkehrsrecht,

(Musikende)

2. Werbespot:

(Crash-Geräusch)

Hm, da brauchen Sie einen Rechtsanwalt –

(Musik-Einspielung …)

Kanzlei … Ihr Spezialist für Verkehrsrecht.

Nehmen wir an, gegen Sie ist ein Fahrverbot verhängt worden. Aus beruflichen Gründen ist es Ihnen aber absolut nicht möglich, den Führerschein jetzt abzugeben. In den meisten Fällen wird es möglich sein, das Fahrverbot auf den nächsten Urlaub zu verschieben.

Kanzlei …, Ihr Spezialist für Verkehrsrecht,

(Musikende)

3. Werbespot:

(Crash-Geräusch)

Hm, da brauchen Sie einen Rechtsanwalt –

(Musik-Einspielung …)

Kanzlei … Ihr Spezialist für Verkehrsrecht.

Nehmen wir an, Sie hatten hier in München einen Unfall mit einem Bulgaren. Müssen Sie jetzt mit der bulgarischen Versicherung vielleicht auch noch auf bulgarisch korrespondieren, damit Sie zu Ihrem Geld kommen? Nein. Der Schaden kann beim Deutschen Büro Grüne Karte gemeldet und mit einer deutschen Versicherung abgewickelt werden.

Kanzlei … Ihr Spezialist für Verkehrsrecht,

(Musikende)

Die Antragstellerin, die …, sah in dieser Werbung einen Verstoß gegen die in § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) normierten Werbebeschränkungen für Anwälte und mahnte den Antragsgegner ab. Der Antragsgegner gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung insoweit ab, als er sich in den Werbespots als „Spezialist für Verkehrsrecht” bezeichnet hatte. Daraufhin beantragte die Antragstellerin vor dem Landgericht München I den Erlaß folgender einstweiliger Verfügung:

Dem Antragsgegner wird es bei Meldung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr durch Werbespots im Hörfunk zu werben, wenn diese Hörfunkspots durch Verwendung von Musik Einspielungen und/oder durch Schilderung von Rechtsfällen aus dem Bereich des Verkehrsrechts gestaltet sind.

Das Landgericht München I wies mit Beschluß vom 12.02.1998 den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurück.

Zu dessen Begründung führte es im wesentlichen aus, Hörfunkwerbung sei grundsätzlich zulässig, da § 43 b BRAO das Mittel der Werbung nicht vorschreibe. Sei eine solche Werbung gestattet, so könne die von § 43 b BRAO geforderte Sachlichkeit nicht so interpretiert werden, daß sich die einzelne Werbung aufgrund geforderter Nüchternheit wieder im Sande verliere oder sogar zu Antiwerbung werde. Durch die Unterlegung der gesprochenen Worte mit Musik werde das Gebot der Sachlichkeit nicht verletzt. Die eingeblendete Musik unterscheide sich in Rhythmus und Lautstärke nicht von üblicher Musikuntermalung bei Rundfunkwerbung. Auch durch die Schilderung kurzer und seine Tätigkeit prägender Rechtsfälle werde die Schranke des § 43 b BRAO nicht durchbrochen. Die den Spots 2 und 3 vorangestellten Crash-Geräusche seien von kürzester Dauer und ohne besondere Intensität. Sie gewännen keine eigene Bedeutung. Schließlich tangierten die gegenständlichen Werbespots nicht das Verbot der „Erheischung” eines Auftrags im Einzelfall.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, das Landgericht verkenne die erheblichen Anforderungen an die inhaltliche und formale Gestaltung anwaltlicher Werbung. Es verböten sich alle Mittel, die über eine rein sachbezogene Weitergabe von Infomationen hinausgingen und geeignet seien, die Aufmerksamkeit des Adressaten anzusprechen. Dazu gehörten die Verkehrsumfallgeräusche und die Musikeinspielungen. Zu Unrecht gelange das Landgericht auch zu der Auffassung, es handle sich bei den Werbespots nicht um eine verbotene Mandatswerbung im Einzelfall. Der Anwalt, der eine spezifische Problemstellung aus seinem Tätigkeitsgebiet durch eine Fa...

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