Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafte Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gem. § 112 AktG vollmachtloses Handeln des Vorstands einer Aktiengesellschaft führt nicht nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts; vielmehr ist dieses grundsätzlich einer Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB zugänglich.

2. Das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht steht einer Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf den vollmachtlos Vertretenen nicht entgegen, soweit sich dieser an der Invollzugsetzung des Gesellschaftsverhältnisses in zurechenbarer Weise beteiligt hat.

 

Normenkette

AktG § 112; BGB § 177

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 19.10.2006; Aktenzeichen 4 HKO 5725/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München II vom 19.10.2006 abgeändert und in Ziff. I wie folgt gefasst:

"1. Es wird festgestellt, dass die Sätze 6 bis 9 des § 15 Abs. 3 der Aktionärsvereinbarung vom 18.12.1998 in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung zur Aktionärsvereinbarung vom 18.12.1998 nichtig sind und dass die vorgenannte 2. Zusatzvereinbarung im Übrigen seit 22.9.2005 keine Rechtsgültigkeit mehr besitzt."

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, ein niederländischer Investmentfonds, ist Aktionärin der Beklagten zu 1). Sie begehrt die Feststellung der Nichtigkeit einer Zusatzabrede zu einer Aktionärsvereinbarung von 1998, die die Beklagte zu 1) mit ihren damaligen Aktionären in den Jahren 2001/2002 geschlossen hat.

1. Die Beklagte zu 1) war im Jahr 1990 als GmbH gegründet worden; ihr Unternehmensgegenstand ist die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungsscannern. Sie wurde 1998 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um den Börsengang des Unternehmens zu ermöglichen.

Die Klägerin hält ca. 27 % der Anteile an der Beklagten zu 1). Bei den Beklagten zu 2) bis 15) handelt es sich um die weiteren derzeitigen Aktionäre der Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 16) bis 19) sind ehemalige Aktionäre der Beklagten zu 1), die an der Aktionärsvereinbarung von 1998 sowie an deren späteren Ergänzungen mitgewirkt haben. Der Beklagte zu 17) ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten zu 1) und Geschäftsführer der Beklagten zu 2); die Beklagte zu 11) ist seine Ehefrau. Die Beklagten zu 7) bis 9) sind die derzeitigen Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1); bei den Beklagten zu 10), 12) bis 14) handelt es sich um deren Verwandte. Der Beklagte zu 15) ist ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1); die Beklagte zu 16) ist seine Ehefrau.

2. Am 18.12.1998 schloss die Beklagte zu 1) mit ihren damaligen Aktionären, also der Klägerin und den Beklagten zu 5) sowie 15) bis 19), eine sog. Aktionärsvereinbarung (Anlage K 4), deren vorrangiger Zweck darin bestand, die Gesellschafter insbesondere durch die Vinkulierung von Namensaktien weiterhin an die Beklagte zu 1) zu binden. Im Wege einer ersten Zusatzvereinbarung zu dieser Aktionärsvereinbarung wurden im November 1999 die Vorstände der Beklagten zu 1), die Beklagten zu 7) bis 9), in den Kreis der Aktionäre aufgenommen.

Die hier streitgegenständliche zweite Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung 1998 (nachfolgend: 2. Zusatzvereinbarung; Anlage K 6) wurde von den Parteien zwischen Dezember 2001 und Juli 2002 abgeschlossen. Sie verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele, nämlich die Neuaufnahme zweier GmbH's sowie weiterer natürlicher Personen als Aktionäre der Beklagten zu 1) sowie die Einführung einer "Change of Control"-Regelung, die ein Mitspracherecht des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1) bei möglichen Veränderungen der Beteiligungsstrukturen der neu eintretenden Gesellschaftern, also bei einer mittelbaren Beteiligung an der Beklagten zu 1), sicherstellen sollte. Hierzu sah § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung eine Ergänzung der Aktionärsvereinbarung von 1998 um folgenden § 15 Abs. 3 vor:

"(1) Sofern ein Aktionär keine natürliche Person, sondern eine in- oder ausländische Personen- oder Kapitalgesellschaft, gleich welcher Rechtsform, ist ("Gesellschaft"), dürfen die Gesellschaftsanteile an solchen Gesellschaften nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Aufsichtsrats der SC. AG übertragen werden.

(2) Gleiches gilt für die Begründung von Treuhandschaften, Unterbeteiligungen, stillen Beteiligungen oder ähnlichen Rechtsverhältnissen an diesen Gesellschaftsanteilen oder den Gesellschaften.

(3) Über die Erteilung der Zustimmung hat der Aufsichtsrat der SC. AG im Interesse der SC. AG und im Geiste der Aktionärsvereinbarung zu entscheiden.

(4) Den Gesellschaften...

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