Leitsatz (amtlich)

Der Schutzzeck der Norm des § 89a Abs. 2 BGB, der den Schadensersatzanspruchs des berechtigterweise fristlos Kündigenden zeitlich begrenzt, gebietet bei unterschiedlichen ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten der Vertragsparteien darauf abzustellen, wann der Kündigungsgegner seinerseits hätte ordentlich kündigen können. Es kommt nicht auf die ordentliche Kündigungsmöglichkeit des Kündigenden an, denn dieser ist bis zu dem Zeitpunkt schutzwürdig, zu dem er mit einer fristgerechten Kündigung des anderen Teils hätte rechnen müssen.

 

Normenkette

HGB § 89a Abs. 2; BGB § 628 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 18.12.2002; Aktenzeichen 5 O 130/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Heidelberg vom 18.12.2002 – 5 O 130/00 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des von ihm jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach fristloser Kündigung eines Handelsvertretervertrages.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Heidelberg vom 18.12.2002 wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69.141,55 Euro (= 135.229,11 DM) nebst 8 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das LG hat nach Beweiserhebung der Klage stattgegeben. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus: Dem Kläger stehe aufgrund der unberechtigten fristlosen Kündigung der Beklagten vom 10.12.1997 wegen schuldhafter Vertragsverletzung Ersatz des Verdienstausfalles für die Zeit vom 10.12.1997 bis zu seiner eigenen Kündigung vom 15.1.1998 i.H.v. 22.357,42 DM zu. Die von der Beklagten ohne vorherige Abmahnung ausgesprochene fristlose Kündigung vom 10.12.1997 sei unwirksam. Dem Kläger könne keine derart schwerwiegende Vertragsverletzung nachgewiesen werden, die eine sofortige Kündigung ohne die grundsätzlich erforderliche Abmahnung rechtfertige. Daneben schulde die Beklagte gem. § 89a Abs. 2 HGB Ersatz des Minderverdienstes des Klägers für das Jahr 1998 i.H.v. 112.872,11 DM. Der Kläger sei berechtigt gewesen, wegen der unberechtigten Kündigung der Beklagten seinerseits am 15.1.1998 fristlos zu kündigen. Da die Beklagte diese Kündigung durch ihr Verhalten zu vertreten habe, sei sie zum Schadensersatz verpflichtet. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs für das Jahr 1998 schätze das Gericht unter Zugrundelegung der Provisionseinnahmen des Klägers für die Jahre 1995 – 1997, abzgl. der vom Kläger erzielten Einkünfte aus Geschäftsführertätigkeit, Einkünften aus einem Gewerbebetrieb und Bilanzgewinn einer GmbH. Eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs wegen etwaigen Mitverschuldens des Klägers sei abzulehnen, da das Fehlverhalten der Beklagten deutlich überwiege.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihr Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt und im Wesentlichen ausführt:

Das LG habe nicht hinreichend den Schutzzweck des § 89a Abs. 2 HGB beachtet, der den Schadensersatzanspruch begrenze. Die Vorschrift solle es dem Kündigenden ersparen, ein unzumutbar gewordenes Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder einer vereinbarten Beendigung fortsetzen zu müssen. Dieser Zwang solle auch nicht durch wirtschaftliche Gründe entstehen. Die ratio legis sei deshalb, nur Ersatz des Schadens zu gewähren, der bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehe. Es komme nicht darauf an, ob tatsächlich gekündigt worden wäre. Der Handelsvertretervertrag sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gewesen. Der Kläger habe den Vertrag gem. § 89 Abs. 1 S. 2 HGB mit einer Frist von sechs Monaten, also zum 31.7.1998, kündigen können, sodass auch nur bis zu diesem Zeitpunkt Schadensersatz verlangt werden könne. Keine Rolle spiele es, dass die Beklagte ihrerseits das Handelsvertretervertragsverhältnis nicht mehr ordentlich habe kündigen dürfen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des LG Heidelberg vom 18.12.2002 (Az. 5 O 130/00) wird abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass es für die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs aus § 89a Abs. 2 HGB nur darauf ankomme, ob der Vertragsverletzer die Möglichkeit gehabt habe, den Vertrag ordentlich zu kündigen. Da die Beklagte unstreitig wegen der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers vertraglich auf ein ordentliches Kündigungsrecht verzichtet habe, müsse dies auch im vorliegenden Kündigungsfall seine Auswirkungen haben. Die Beklagte würde geradezu ...

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