Leitsatz (amtlich)

Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist in der Person eines Angeklagten, der sich im Ausland aufhält, ohne flüchtig zu sein oder sich dort verborgen zu halten, - trotz einer im Falle einer Verurteilung hohen Straferwartung - nicht gegeben, wenn dieser - durch konkrete Tatsachen belegt - ernsthaft bereit ist, sich dem Verfahren zu stellen, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und Ladungen Folge zu leisten.

Allein die nur allgemeine Besorgnis, der Angeklagte werde sich im Falle seiner künftigen Verurteilung der Vollstreckung einer erkannten Freiheitsstrafe entziehen, trägt in einem absehbar langwierigen Wirtschaftsstrafverfahren die Annahme von Fluchtgefahr nicht.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Haftbefehl des Landgerichts - Wirtschaftsstrafkammer - A. vom 4. Dezember 2003 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Unter dem Vorwurf insbesondere des gemeinschaftlichen Betruges im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen zum F. - Konzern (Tatzeitraum: Juni 1996 bis Dezember 2000) erhob die Staatsanwaltschaft A, mit Schrift vom 17.03.2003 gegen Y. Z. Anklage zum Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - A.. Die mit der Sache seit dem 18.03.2003 befasste Große Strafkammer / Wirtschaftsstrafkammer bejahte mit Beschluss vom 31.10.2003 den hinreichenden Tatverdacht, eröffnete das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu. Am 04.12.2003 erließ die Strafkammer gegen den Angeklagten neuen, dem aktuellen Verfahrensstand angepassten Haftbefehl; zugleich hob sie den bis dahin maßgeblichen Haftbefehl des Amtsgerichts - Haftrichter - A vom 08.12.2000 auf. Gegen den neu gefassten Haftbefehl vom 04.12.2003 hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 14.01.2004 Beschwerde eingelegt; er beantragt,

den Haftbefehl aufzuheben,

hilfsweise,

diesen unter geeigneten Auflagen außer Vollzug zu setzen.

Die Strafkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21.01.2004 nicht abgeholfen. Die Staatsanwaltschaft A. hat unter dem 06.02.2004 zu der Haftbeschwerde Stellung genommen. Mit Verteidigerschriftsätzen vom 02.02.2004, 04.02.2004 und 16.02.2004 hat der Angeklagte ergänzend vorgetragen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt mit Schrift vom 16.02.2004,

die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg.

Der Haftbefehl ist aufzuheben, da der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), auf den der Haftbefehl - wie schon der Haftbefehl des Amtsgerichts A. vom 08.12.2000 - ausschließlich gestützt ist, nicht vorliegt.

Ob die Einwendungen des Angeklagten gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts i. S. d. § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO durchgreifen, bedarf mithin keiner Entscheidung durch den Senat. Immerhin hat die Strafkammer, wie hervorgehoben sei, mit dem Eröffnungsbeschluss vom 31.10.2003 (§§ 203, 207 StPO) - in unanfechtbarer Weise (§ 210 Abs. 1 StPO) - festgestellt, dass der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Taten hinreichend verdächtig ist.

Wohl hat die Strafkammer mit Recht angenommen, dass der Haftgrund der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) nicht gegeben ist. Flüchtig ist derjenige Beschuldigte, der sich mit dem Ziel und der Wirkung ins Ausland absetzt, für Ermittlungsbehörden und Gerichte unerreichbar und ihrem Zugriff auch wegen der zu erwartenden Strafvollstreckung entzogen zu sein. Verborgen hält sich derjenige Beschuldigte, der unangemeldet, unter falschem Namen oder an einem unbekannten Ort lebt, um sich dem Strafverfahren zu entziehen (vgl. nur Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 112 Rdnr. 13). All dies trifft auf den Angeklagten nicht zu. Der Angeklagte, der neben der s. auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und international agierender Geschäftsmann ist, hatte schon vor dem im Haftbefehl angenommenen Tatzeitraum neben anderen Wohnsitzen seinen gewöhnlichen Wohnsitz, der bekannt ist, nebst einem Geschäftssitz in B.. Er ist nicht zur Verhinderung oder zum Erschweren seiner Strafverfolgung in vorliegender Sache nach dort geflohen (vgl. zur Problematik grundsätzlich Senat B. v. 18.06.2001 - 3 Ws 91/01 - ).

Der Senat vermag - entgegen der Auffassung der Strafkammer- in der Person des Angeklagten auch keine Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) zu erkennen.

Die Strafkammer hat zum Haftgrund ausgeführt:

"Es ist zutreffend, dass der ausländische Wohnsitz des Angeklagten im Staat C. keinen Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr darstellt. Er ist genauso zu bewerten wie ein inländischer Wohnsitz, was hier wie dort nicht bedeutet, dass schon deshalb die Fluchtgefahr zu verneinen sei. Die Beurteilung der Fluchtgefahr hängt auch nicht davon ab, ob und inwieweit ein Haftbefehl im Ausland vollstreckbar ist oder nicht. Die Kammer behandelt den Angeklagten so, als ob er seinen Wohnsitz und seine sonstigen Bindungen im Inland hätte.

Auf Grund der Schwere der Tatvorwürfe hat der Angeklagte im Fall der Verurteilung mit einer hohen Freiheitsstrafe zu rechnen, die...

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