Verfahrensgang

AG Lübbecke (Aktenzeichen 6 VI 4/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 11.10.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Lübbecke vom 07.09.2021 dahingehend abgeändert, dass die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinantrages des Beteiligten zu 3) vom 12.05.2021 erforderlich sind, für festgestellt erachtet werden.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Lübbecke wird angewiesen, dem Beteiligten zu 3) einen Erbschein mit dem Inhalt zu erteilen, dass die am 00.00.0000 verstorbene B. C., geborene D, geb. am 00.00.0000, von den Beteiligten zu 1) bis 3) beerbt worden ist.

Die in erster Instanz angefallenen Gerichtskosten werden dem Beteiligten zu 3) auferlegt. Die in zweiter Instanz angefallenen Gerichtskosten trägt der Beteiligte zu 2). Darüber hinaus findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 550.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind Geschwister und einzige Kinder der Eheleute F. und B. C.

Am 23.02.2014 errichteten die Eltern der Beteiligten ein gemeinschaftliches, handschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod des Letztversterbenden folgendes bestimmten:

"Schlußerben des länger von uns Lebenden werden unsere Kinder G, ..., H,... und I,... wie folgt:"

Anschließend ordneten die Erblasser an, welche Vermögensbestandteile welches ihrer Kinder erhalten sollte.

Der Vater der Beteiligten verstarb am 00.00.0000, die Mutter der Beteiligten - die Erblasserin - verstarb am 00.00.0000.

Am 12.05.2021 hat der Beteiligte zu 3) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben der Erblasserin ausweist. Er hat erklärt, gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein zu verzichten. Die Zustimmung aller Miterben sei zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins nicht erforderlich, da das Gesetz nur verlange, dass die Antragsteller auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein verzichteten. Antragsteller sei indes nur er selbst.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Er hat die Ansicht vertreten, es sei ein gemeinschaftlicher Erbschein mit einer Quote von je 1/3 für jeden Erben zu beantragen. Ein quotenloser Erbschein könne nicht erteilt werden, weil dieser voraussetze, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbanteile in dem Erbschein verzichteten.

Die Beteiligte zu 1) erhob gegen den Erbscheinsantrag keine Einwendungen und verzichtete ihrerseits auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein.

Mit Beschluss vom 07.09.2021 hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Lübbecke den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins sei nach der systematischen Stellung des § 352a Abs. 2 FamFG und dem grammatikalischen Bezug erforderlich, dass alle Miterben auf die Angabe der Erteile verzichten. Das sei hier nicht der Fall, so dass der Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3) mit seiner Beschwerde, mit der er in der Hauptsache die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins weiterverfolgt und hilfsweise die Erteilung eines Erbscheins beantragt, nach dem die Erblasserin durch ihn zu 7/15, den Beteiligten zu 2) zu 3/15 und die Beteiligte zu 1) zu 5/15 beerbt worden sei. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem Gesetzgebungsverfahren ergebe sich, dass die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins die Zustimmung aller in Betracht kommenden Miterben erfordere.

II. Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beteiligte zu 3) kann die Erteilung eines sog. quotenlosen Erbscheins verlangen, ohne dass hierfür die Zustimmung auch des Beteiligten zu 2) erforderlich ist.

1. Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind in dem gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 23.02.2014 zu Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt worden, sie sind daher Miterben der am 00.00.0000 zuletzt verstorbenen Erblasserin.

Zweifel an der Erbeinsetzung sämtlicher Beteiligter ergeben sich nicht durch den Umstand, dass die Eheleute C ihre Kinder nicht zu bestimmten Quoten als Erben eingesetzt, sondern diesen näher bestimmte Bestandteile ihres Vermögens zugewendet haben.

Zwar ist nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht von einer Erbeinsetzung, sondern der Anordnung von Vermächtnissen auszugehen, wenn der Erblasser dem oder den Bedachten nur einzelne Vermögensbestandteile zugewendet hat. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Erblasser mit diesen Zuwendungen praktisch sein gesamtes Vermögen unter den Bedachten aufteilt. Denn die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB würde in diesen Fällen ansonsten zu dem mutmaßlich nicht gewollten Ergebnis führen, dass das Testament gar keine Erbeinsetzung enthält (BeckOGK/Gierl, 01.06.2022, BGB § 2087 Rn. ...

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