Leitsatz (amtlich)

1. Bei Verwendung des Mantels einer bewusst für eine spätere Verwendung "auf Vorrat" gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung haften die Gesellschafter nach den Grundsätzen über die Unterbilanz- bzw. Vorbelastungshaftung auch, wenn sie die wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Handelsregister offengelegt haben.

2. Die ursprünglich eingezahlte Stammeinlage ist bei Aktivierung der Vorratsgesellschaft dann nicht mehr vorhanden, wenn der Erwerber des Mantels das ihm während des Notartermins übergebene Kassenkapital in Form der ihm konkret übergebenen Scheine an den Veräußerer sogleich als Kaufpreis zurückgewährt.

 

Normenkette

GmbHG §§ 7, 16 Abs. 3, §§ 19, 21, 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 08.03.2011; Aktenzeichen 11 O 82/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.3.2011 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. W. mbH ist, nimmt die Beklagte als Gründungsgesellschafter und Rechtsvorgänger des Gesellschafters S. wegen angeblich teilweise ausstehender Stammeinlage in Anspruch.

Die S. H. mbH wurde von der Beklagten mit Gesellschaftsvertrag vom 6.3.2007 als sog. "Vorratsgesellschaft" mit einem zu erbringenden Stammkapital von 25.000 EUR gegründet und am 19.3.2007 im Handelsregister eingetragen. Mit notariellem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 11.4.2007 (Anl. K2, Bl. 11 ff. GA) verkaufte die Beklagte ihre Geschäftsanteile an den Zeugen S. für 27.550 EUR, die gem. § 4 dieses Vertrages während der Beurkundung in bar gezahlt wurden. Der Zeuge S., der im Rahmen einer am gleichen Tag abgehaltenen Gesellschafterversammlung zum neuen Geschäftsführer bestellt wurde, bestätigte in § 1 Abs. 3 des Vertrages, dass er das eingezahlte Stammkapital der Gesellschaft i.H.v. 25.000 EUR während der Beurkundung in bar erhalten hat. In dieser Gesellschafterversammlung wurde die Firma der Gesellschaft in H. W. mbH geändert und der Sitz der Gesellschaft von K ... nach H. verlegt; Gegenstand des Unternehmens ist seit dieser Gesellschafterversammlung der Warenhandel aller Art.

In der Handelsregisteranmeldung vom 11.4.2007 (Anl. B 6, Bl. 68 ff. GA) erklärte der Geschäftsführer S., "dass es sich im vorliegenden Fall um die Aktivierung einer Vorratsgesellschaft handelt" und dass "auf die Stammeinlagen der Gesamtbetrag der eingezahlten Beträge 25.000 EUR erreicht und sich die eingezahlten Beträge endgültig zu (seiner) freien Verfügung befinden, Vorbelastungen nicht bestehen, das Vermögen der Gesellschaft in Höhe der derzeit aktuellen Stammkapitalziffer noch vorhanden und abgesehen von evtl. satzungsmäßigen Gründungsaufwand nicht mit Verbindlichkeiten vorbelastet ist".

Über das Vermögen der H. W. mbH (nachfolgend: Schuldnerin) wurde durch Beschluss des AG Wuppertal vom 9.9.2009 wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter zunächst den Zeugen S. zur Zahlung der angeblich noch offenen Einlageforderung von 25.000 EUR aufgefordert. Nachdem der Zeuge in der Folgezeit eine Teilzahlung von 1500 EUR erbrachte, hat der Kläger, nachdem er diesem Zeugen zur Zahlung von 23.500 EUR eine entsprechende Nachfrist gesetzt und ihm mit Schreiben vom 11.5.2010 den Ausschluss angedroht hatte, die Kaduzierung des betreffenden Anteils erklärt.

Wegen der entsprechenden, nach seiner Auffassung noch offenen Einlageforderung hat der Kläger sodann die Beklagte als Gründungsgesellschafterin und Rechtsvorgängerin des Gesellschafters S. auf Zahlung von 23.500 EUR in Anspruch genommen. Diese hat sich darauf berufen, entsprechend der Eröffnungsbilanz vom 6.3.2007 an diesem Tag zunächst die Mindesteinlage von 12.500 EUR bar in die Firmenkasse und am 2.4.2007 die zweite Hälfte der Stammeinlage von 12.500 EUR eingelegt zu haben. Im Notartermin sei dem Erwerber als neuen Geschäftsführer die gesamte Stammeinlage von 25.000 EUR in bar ausgehändigt worden.

Das LG hat die Geschäftsführerin der Beklagten S. angehört und Herrn S. als Zeugen vernommen. Unter Abweisung eines Teils der geltend gemachten Zinsforderung hat es sodann der Klage stattgegeben und ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus §§ 19, 22 Abs. 1 GmbHG. Der Zeuge S., Strohmann des Herrn M., sei mit der Erbringung seiner fälligen Stammeinlagen im Rückstand gewesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Stammkapital dem Zeugen als Geschäftsführer der Schuldnerin nicht zur freien Verfügung gestanden habe. Der Zeuge h...

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