Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis bei der Zuwendung eines einzelnen Vermögensgegenstandes

2. Zum Widerruf eines Testaments im Wege der Vernichtung durch einen Dritten auf Geheiß des Erblassers

 

Normenkette

BGB §§ 1939, 2087 Abs. 2, §§ 2253-2255, 2353, 2359

 

Verfahrensgang

AG Mönchengladbach (Aktenzeichen 15 VI 370/10)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Das AG Mönchengladbach - Nachlassgericht - wird angewiesen, den auf der Annahme gesetzlicher Erbfolge basierenden Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 nicht mit der Begründung abzulehnen, dem stehe eine Einsetzung des Beteiligte zu 3 zum Alleinerben im Testament vom 13.1.2009 entgegen.

Dem Beteiligten zu 2 wird auf seinen Antrag vom 29.1.2013 für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Maus in Mönchengladbach nach einem Wert bis zu 50.000 EUR bewilligt.

Raten sind nicht zu entrichten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Söhne der am 5.2.2010 verstorbenen Erblasserin.

Die Erblasserin verfasste ein - vollständig nur noch als Ablichtung existierendes - handschriftliches Testament vom 13.1.2009, das u. A. wie folgt lautet:

"... Hiermit vermache ich ... meinem Sohn P. das alte Wohnhaus - mit Grundstück und zwei Garagen im Lageplan A unter 1 links der Punkte 1, 2, 3 im Grundbuch vom Mönchengladbach -..."

Der Beteiligte zu 1 hat zu Urk.-R-Nr. 608/2010 des Notars Dr. F. in Friedrichshafen vom 27.5.2010 einen Erbschein beantragt, wonach seine Brüder und er die Erblasserin zu je 1/3 Anteil auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge beerbt haben.

Der Beteiligte zu 3 ist dem entgegen getreten, hat Zurückweisung des Erbscheinsantrages beantragt und hat geltend gemacht, der Beteiligte zu 1 habe das handschriftliche Testament der Mutter vom 13.1.2009, von dem er eine Ablichtung vorlege, im November 2009 zusammen mit einem noch älteren Testament der Erblasserin vom 1.3.2007 eigenmächtig zerrissen. Gesetzliche Erbfolge sei demnach nicht eingetreten, er, der Beteiligte zu 3, habe vielmehr nach dem maßgeblichen Testament "einen Teil des Grundbesitzes, und zwar das alte Wohnhaus mit Grundstück und zwei Garagen allein erhalten", mithin Erbe sein sollen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben geltend gemacht, die Erblasserin habe im März 2009 den Entschluss gefasst, alle bis dahin getroffenen letztwilligen Verfügungen zu vernichten, es sei damals ihr Wille gewesen, dass alle Brüder zu gleichen Teilen erben sollten.

Das AG - Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 2.1.2013 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zu gleichen Teilen sei abzulehnen, da die gesetzliche Erbfolge keine Anwendung finde. Die Erblasserin habe nämlich am 13.1.2009 ein handschriftliches Testament erstellt, nach dem der Beteiligte zu 3 das Hausgrundstück erhalten solle. Da das Grundstück den wesentlichen Wert des Nachlasses darstelle, sei der Beteiligte zu 3 nach diesem Testament Alleinerbe geworden. Das Testament sei auch nicht nach § 2254 ff. BGB, insbesondere nicht durch Vernichtung i.S.v. § 2255 BGB, wirksam widerrufen worden. Das Testament sei zwar - von wem der Beteiligten könne offen bleiben - im November 2009 zerrissen worden, fest stehe aber jedenfalls, dass nicht die Erblasserin selbst das Testament vernichtet habe. Es reiche nicht aus, wenn die Erblasserin, wie die Beteiligten zu 1 und 2 behaupten, sich im März 2009 dahin geäußert habe, das Testament von Januar 2009 solle zerrissen werden. Entscheidend sei, dass der bei der Vernichtung tätige Dritte als Werkzeug des Erblassers handeln müsse, weil der Widerruf des Testaments auch nach § 2255 BGB eine letztwillige Verfügung darstelle, die der testierfähige Erblasser nach § 2064 BGB nur höchstpersönlich vornehmen könne. Eines Werkzeuges könne er sich zwar bedienen. Analog zur Täterschaft im Strafrecht handele aber als Werkzeug nur, wer unter der Tatherrschaft des Erblassers stehe, so dass der Erblasser die Widerrufshandlung als letztwillige Verfügung - wenn auch durch die Hand eines Dritten - selbst vornehme. Dies könne nicht der Fall sein, wenn die Vernichtungshandlung in Abwesenheit des Erblassers erfolgt, weil hier von einer Beherrschung der Testamentsvernichtung durch den Erblasser und damit von einer letztwilligen Verfügung des Erblassers nicht die Rede sein könne.

Die Voraussetzung des persönlichen Handelns der Erblasserin sei somit nicht erfüllt, weil sie zum Zeitpunkt der Vernichtung des Testaments im November 2009 nicht zugegen gewesen sei.

Ferner müsse zum Zeitpunkt der Vernichtungshandlung die Testierfähigkeit des Erblassers gegeben sein. Die Erblasserin sei indes im November 2009 bereits testierunfähig gewesen, weshalb die Vernichtung des Testaments im November 2009 somit nicht mehr vom Willen der Erblasserin im rechtlichen Sinne gedeckt sei und ein wirksamer Widerruf des Testaments nicht vorliege.

Nach dem Testament seien jedoch die...

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