Leitsatz (amtlich)

1. Eine Eingabe, die ausdrücklich auf die Einlegung der Beschwerde durch einen anderen Beteiligten Bezug nimmt und deshalb einen Willen zur Einlegung eines eigenen Rechtsmittels nicht hinreichend deutlich erkennen lässt, ist nicht als eigenständige Beschwerde aufzufassen.

2. Auch nach Erteilung eines Erbscheins bleibt das Nachlassgericht verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen für dessen Erteilung von Amts wegen zu überprüfen, sobald irgendein Anlass hierfür besteht (hier: Anfechtungs- und Ausschlagungserklärungen der Beteiligten).

3. Bei der Bewertung einer Anfechtungserklärung gemäß § 119 BGB in Verbindung mit § 1954 BGB beschränkt sich die Ermittlungstätigkeit des Nachlassgerichts auf die Prüfung, ob diejenigen Anfechtungsgründe zutreffen, die der Anfechtungsberechtigte in der Anfechtungserklärung oder später selbst geltend macht beziehungsweise die aufgrund sonstiger Umstände für das Nachlassgericht ersichtlich sind; werden andere als die in der Anfechtungserklärung genannten Gründe geltend gemacht, so liegt eine neue Anfechtungserklärung vor, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist.

4. Die Überschuldung der Erbschaft stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache (dem Erben angefallener Nachlass oder Nachlassteil) gemäß § 119 Abs. 2 BGB dar, die zur Anfechtung berechtigen kann, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses beruht oder wenn es um die Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten geht, deren Bestand ungeklärt ist (hier. Bestand und Durchsetzbarkeit einer Forderung, deren sich ein Darlehensgeber und Grundpfandrechtsgläubiger berühmt).

5. Aus den vorgenannten Ansätzen folgt zugleich, dass sich Derjenige nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen kann, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt war, er wolle die Erbschaft annehmen und nicht ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer Grundlage (hier: allenfalls basierend auf der vagen Vorstellung der Kinder, wegen des Nachlasses ihres Vaters kämen keine Verbindlichkeiten "auf sie zu") getroffen hatte.

6. Für die Wertbemessung ist nicht isoliert auf die Rechtsmittelanträge abzustellen, maßgeblich ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelführers, wie es im Rechtsschutzbegehren zum Ausdruck kommt (bestätigend Senat in MDR 2016, 415 f. - hier zielen die Rechtsmittel bei wirtschaftlicher Betrachtung darauf ab, nicht vom Grundschuldgläubiger als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser zu je 1/10-Anteil auf eine ausstehende Darlehns-Gesamtforderung in Anspruch genommen zu werden).

 

Normenkette

BGB §§ 119, 1954, 2361 Abs. 1 S. 1; EGBGB Art. 229 § 36; GNotKG § 61 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 40 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Dinslaken (Beschluss vom 20.02.2015; Aktenzeichen 14 VI 406/14)

 

Tenor

Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Geschäftswert: jeweils bis 4.000 Euro.

 

Gründe

I. Der im Februar 2008 verstorbene Erblasser war mit H. Z., die im November 2009 verstarb, verheiratet; die Beteiligten zu 1. bis 5. sind gemeinsame Kinder des Ehepaares.

Die Eheleute erwarben in den 1980er Jahren Grundbesitz und nahmen hierfür bei der Beteiligten zu 7. ein Darlehen auf, das durch ein Grundpfandrecht gesichert wurde. In der Folgezeit kam es zur Zwangsversteigerung, der Zuschlag erfolgte im Februar 2007. Im April 2007 erhielt der Erblasser als Leistung einer Versicherung aus einem Unfall knapp 70.000 Euro.

Sowohl der Erblasser als auch dessen Ehefrau errichteten keine letztwilligen Verfügungen. Nach dem Tode des Erblassers ließen die Beteiligten zu 1. bis 5. die Ausschlagungsfrist verstreichen. Nach dem Tode ihrer Mutter 2009 erklärten sie jeweils die Ausschlagung der Erbschaft, darunter die Beteiligte zu 3. mit dem ausdrücklichen Bemerken, sie vermute, der Nachlass sei überschuldet. 2010 erhielten die Beteiligten zu 1. bis 5. die - zutreffende - Information, der Erblasser sei an einer über Grundbesitz verfügenden Erbengemeinschaft beteiligt gewesen, deren Auseinandersetzung ausstehe. Daraufhin beantragte die Beteiligte zu 1. unter dem 1.9.2011 - im Einvernehmen mit ihren Geschwistern - die Erteilung eines die (nachverstorbene) Ehefrau sowie die fünf Kinder als Miterben nach dem Erblasser ausweisenden Erbscheins, erstere zu ½-Anteil, letztere zu je 1/10-Anteil. Am 6.10.2011 wurde der gemeinschaftliche Erbschein antragsgemäß erteilt. Die Erbauseinandersetzung mit Grundstücksübertragungen wurde 2013 von dem Beteiligten zu 9. beurkundet; auf die Erbengemeinschaft nach dem Erblasser entfielen 14.700 EUR. Zum Zwecke des Vertragsschlusses wurde der Beteiligte zu 6. zum Nachlasspfleger für den Nachlass der Ehefrau bestellt mit dem Wirkungskreis der Vertretung ihrer unbekannten Erben bei der Erbauseinandersetzung mit Grundstücksübertragungen und Auflassungen.

Mit Schreiben vom 22.7.2014 trat die Beteiligte zu 7. an die Beteiligten z...

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