rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für volljähriges behindertes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Kindergeld für ein volljähriges behindertes Kind setzt voraus, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres bzw. entspr. der Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 Satz 8 EStG vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist.
  2. Zur Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten.
  3. Bei der Prüfung der Ursächlichkeit zwischen Behinderung und der Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt können nur Behinderungen berücksichtigt werden, die bereits im Zeitpunkt der Vollendung des 27. bzw. 25. Lebensjahres vorgelegen haben. Später hinzugetretene Beeinträchtigungen bleiben unberücksichtigt.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Kindergeld für ein behindertes Kind über das 27. Lebensjahr hinaus gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger ist Vater des am 24. Juni 1966 geborenen Sohnes A.. Im April 2008 beantragte der Kläger beim Beklagten, ihm aufgrund einer bestehenden Schwerbehinderung des Kindes auch über das 27. Lebensjahr hinaus gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG Kindergeld für A. zu gewähren.

Zum Nachweis der Behinderung legte der Kläger eine Kopie des Schwerbehindertenausweises seines Sohnes vom 8. Februar 2008 der Stadt (…) vor, in dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 bei einem Merkzeichen RF ausgewiesen war. Der Schwerbehindertenausweis war erstmals am 19. August 1997 ausgestellt worden. Bis zum 9. August 2007 belief sich der GdB auf 70 bei gleichem Merkzeichen.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2008 lehnte die Familienkasse den Antrag auf Kindergeld für A. ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass ein Nachweis, der belege, dass die Behinderung des Kindes vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei, trotz Ankündigung nicht vorgelegt worden sei.

In dem sich anschließenden Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass A. aufgrund eines geburtsbedingten Augenleidens seit seinem sechsten Lebensjahr in augenärztlicher Behandlung sei. Am 19. Mai 1977 habe A. einen Unfall gehabt infolge dessen er mehrfach operiert worden sei. Insbesondere sei eine Hornhauttransplantation vorgenommen worden. Danach habe A. eine Schule für Sehbehinderte in (…) besucht. Nach einer Hilfsarbeitertätigkeit habe er mit seinem Sohn fast 10 Jahre erfolglos beim Arbeitsamt vorgesprochen. Im Jahr 1997 habe er dann einen Behindertenausweis beantragt. In den kommenden Jahren sei es ihm gelungen, A. im X-Werk in (…), einer Behindertenwerkstatt, unterzubringen, wo er heute noch arbeite.

Ferner legte der Kläger diverse Atteste und Bescheinigungen von Augenärzten über den Behandlungsverlauf vor.

Zum weiteren Nachweis reichte der Kläger einen Bescheid des Versorgungsamtes (…) vom 11. Dezember 1997 zu den Akten, in dem für A. ein Gesamt-GdB von 70 sowie das Merkmal RF (Voraussetzung für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht und ggf. für eine Ermäßigung der Telefongebühren) bescheinigt wurde. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B lagen hiernach nicht vor. Die Ermittlung des Gesamt-GdB basierte auf folgenden Einzel-Funktionsbeeinträchtigungen:

1. Sehbehinderung beidseitig bei Linsenlosigkeit rechts, Einzel-GdB 60,

2. Bronchialasthma und Nasenschleimhautentzündung

bei Pollen- und Katzenhaarallergie, Einzel-GdB 20,

3. Fehlhaltung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Einzel-GdB 10,

4. Statische Fußbeschwerden rechts bei Knick-, Senk-, Spreiz-Fuß,

beidseitig, Bänderriss rechtes oberes Sprunggelenk und

Innenbanddehnung linkes Kniegelenk, Einzel-GdB 10.

Darüber hinaus ist vermerkt, dass die bestehenden Hautveränderungen, wiederkehrenden Bauchspeicheldrüsenentzündung keine Behinderung darstellen würden, weil sie keinen GdB von wenigstens 10 bedingten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen wird auf den Bescheid des Versorgungsamtes (…) vom 11. Dezember 1997 (Bl. 33 ff Kindergeldakte) Bezug genommen.

Auf weitere Nachfrage der Beklagten legte der Kläger zudem eine augenärztliche Stellungnahme vom 12. Dezember 2008 der Gemeinschaftspraxis (…) vor. In dieser wird folgender Krankheitsverlauf bescheinigt:

„rechtes Auge: Z.n. perforierender Verletzung 1977 mit operativer Versorgung und Entfernung der Augenlinse, Z.n. Re-Keratoplastik (Hornhauttransplantation) 1988; Z.n. Netzhautablösung mit operativer Versorgung mit Silikoneinfüllung 1993; Z.n. Silikonöl-Entfernung im März 1994; Z.n. Re-Keratoplastik August 2008

linkes Auge: Amblyopie (angeborene bzw. frühkindlich erworbene Schwachsichtigkeit)

augenärztlicher Befund vom 10.09.08: Fernvisus mit Korrektur: RA 0,4; LA 0,5.”

Im Rahmen dieser Diagnose kamen die Ärzte zu folgender Beurteilung: „Die Funktionsminderung am rechten Auge des Patienten begann mit dem Unfall im Jahr 1977, wobei trotz mehrfacher operativer Maßnahmen die Sehschärfe bei ca. 0,4 bis 0,5 ihr Maximum erreichte, und auch eine Besserung nicht mehr zu erwarten ist....

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