Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkauf von Kaninchenblut ist eine landwirtschaftliche Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Aufzucht und Veräußerung von Schlachtkaninchen führt zu land- und forstwirtschaftlichen Einkünften. Kaninchen stellen typische Tiere der Landwirtschaft dar.
  2. Der Verkauf des bei der Schlachtung gewonnenen Blutserums männlicher Kaninchen an industrielle Abnehmer ist eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit. Zwar ist Blutserum kein klassisches landwirtschaftliches Erzeugnis. Jedoch handelt es sich bei Kaninchen um eine Tierart, die auch der landwirtschaftlichen Urproduktion dient.
  3. Betriebe, welche die mit Hilfe der Naturkräfte gewonnenen tierischen Produkte im Rahmen einer ersten Verarbeitungsstufe am Markt absetzen, sind grundsätzlich land- und forstwirtschaftlich tätig. Das trifft auch für die Herstellung von bei der Schlachtung gewonnenen Blutserums zu.
 

Normenkette

EStG §§ 13a, 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 15 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Parteien, ob und in welchem Umfang der Rechtsvorgänger der Kläger in den Jahren 1991- 1998 (Streitjahre) gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

Die Kläger sind Rechtsnachfolger des S, die Klägerin zu 1) war dessen Ehefrau. S bewirtschaftete einen Hof mit einer Fläche von ca. 13,8 ha. Dort züchtete und mästete er Kaninchen, sog. „weiße Neuseeländer”. Er hatte den Betrieb, dessen Vergleichswert zum 01.01.1985 lt. Einheitswertbescheid vom 14.6.1989 3.362 DM betrug, schon vor Jahrzehnten übernommen und war in den Streitjahren nahezu ausschließlich in drei Bereichen tätig:

(1) Veräußerung von Schlachtkaninchen

(2) Veräußerung von Zuchtkaninchen

(3) Veräußerung von Blutserum, welches er bei der Schlachtung von männlichen

Schlachtkaninchen gewann.

In den Streitjahren hielt S durchgehend jeweils ca. 100 – 200 Zuchtkaninchen und 3.000 Schlachtkaninchen. Er veräußerte jährlich ca. 8.000 - 10.000 Schlachtkaninchen und ca. 2.000 – 4.000 lebende Kaninchen.

Die Kaninchenställe brachte S in seinem zum Hof gehörenden Stallgebäude unter, in dem er sowohl die Schlachttiere (Umsätze 1991 bis 1995 zwischen 82.000 DM bis 168.000,00 DM) als auch die lebend verkauften Tiere (Umsätze zwischen 1991 bis 1995 jährlich ca. 125.000 bis 256.000,00 DM) aufzog. Bei der Aufzucht unterschied S nicht danach, ob ein Tier zur Schlachtung oder zur Veräußerung als „Zuchttier” vorgesehen war, sondern hielt die Kaninchen einheitlich in dem Stallgebäude. Sobald Bedarf nach Schlachtkaninchen bzw. „lebenden” Kaninchen bestand, suchte er Kaninchen aus dem vorhandenen Bestand aus. Das Futter für die Tiere beschaffte S von den eigenen Wiesen. Die lebend verkauften Kaninchen erwarben in der Regel industrielle Abnehmer oder medizinische Einrichtungen, aber zum Teil auch landwirtschaftlich tätige Abnehmer. Die als „Zuchtkaninchen” veräußerten (lebenden) Tiere setzten die (i.d.R. industriellen) Abnehmer oftmals zur Aufzucht von Versuchstieren ein.

Seit den 80er Jahren verkaufte S auch das bei der Schlachtung gewonnene Blut bzw. Blutserum männlicher Kaninchen an industrielle Abnehmer. Für die Blutgewinnung verwandte S die in seinem Betrieb aufgezogenen männlichen Schlachtkaninchen, die er jeweils ca. 18 – 26 Wochen in seinem Betrieb aufzog. Das gewonnene Kaninchenblut zentrifugierte er jeweils in seinem Betrieb, und zwar für jeweils ca. 20 - 30 Sekunden, nachdem es auf natürliche Weise geronnen war. Für den Zentrifugiervorgang schaffte er sich eine entsprechende Maschine an (zu Einzelheiten vgl. Gewinnermittlungsakte), die er – zum Teil – unter Aufsicht eines Arztes bediente. Das im Überstand befindliche Blutserum (Anteil von ca. 120 – 180 ml Blut/Kaninchen) fror S für Zwecke des Transportes ein. Die Abnehmer verwandten das Blut u.a. bei Immunsystemtesten, Vaterschaftstesten und der Strahlentherapie.

S und die Klägerin zu 1) erklärten die Einkünfte der Jahre 1991 bis 1995 als solche aus Land- und Forstwirtschaft und ermittelte den Gewinn nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG). In der Anlage „L” gaben sie für die Jahre 1991 bis 1995 Sondergewinne an, und zwar von ca. 11.500 bis ca. 26.500 DM jährlich. Für die Jahre 1996-1998 erklärte S, nachdem die Betriebsprüfung die Tätigkeit als gewerblich eingestuft hatte, die Einnahmen aus dem Blutserumverkauf als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Schon für die Vorjahre, nämlich die Jahre 1984 und 1985 (Wirtschaftsjahre 1984/85 und 1985/86) hatte das Finanzamt eine Außenprüfung durchgeführt. Das Finanzamt hatte die Einkünfte sowohl aus dem Verkauf der Schlacht- und Zuchttiere als auch des Blutserums insgesamt als land- und forstwirtschaftlich angesehen und ermittelte die Einkünfte in vollem Umfang nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG).

Demgegenüber sah das Finanzamt nach einer für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung die Einkünfte als gewerblich ein. Es berücksichtigte dabei auch einen Nutzungswert für die selbst genutzte Wohnung. Das Finanzamt ermittelte den Gewinn für die Jahre 1991 bis 1995 g...

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