Entscheidungsstichwort (Thema)

Sog. Scheinvater nicht „wie ein Vater” zu behandeln

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen für einen Teilerlass der ESt.
  2. Zu den Anforderungen an das Vorliegen sachlicher Billigkeitsgründe.
  3. Ein sog. Scheinvater muss im Billigkeitswege nicht „wie ein Vater” behandelt werden. Denn der Gesetzgeber hat die kindbedingten Steuervergünstigungen den leiblichen Eltern gewährt und damit erkennbar an die gesetzliche Unterhaltspflicht angeknüpft. Ein sog. Scheinvater ist mit unterhaltsverpflichteten leiblichen Eltern mangels eigener gesetzlicher Unterhaltspflicht nicht vergleichbar. Das gilt umso mehr, als der sog. Scheinvater nach zivilrechtlichen Regeln einen Anspruch auf Rückerstattung des überzahlten Unterhalts geltend machen kann.
 

Normenkette

AO § 227; EStG § 32 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Streitjahr(e)

1994, 1995, 1996, 1997

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 14.06.2005; Aktenzeichen IX B 192/03)

BFH (Beschluss vom 14.06.2005; Aktenzeichen IX B 192/03)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Anspruch auf Teilerlass der Einkommensteuer 1994 bis 1997 besteht.

Der Kläger gab in den Einkommensteuererklärungen 1994 bis 1997 an, der leibliche Vater des Kindes M (geb. am xx. xx 1992) zu sein. Der Beklagte berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 1994 einen Kinderfreibetrag und einen Haushaltsfreibetrag, in der Veranlagung 1995 einen Kinderfreibetrag, in der Veranlagung 1996 den hälftigen Kinderfreibetrag und in 1997 außergewöhnliche Belastungen, die sich wegen der kindbedingten niedrigeren zumutbaren Belastung auswirkten.

Der Kläger hatte die Vaterschaft für M am xx. xx 1992 beim Landkreis G anerkannt. Auf Grund der Anfechtung der Vaterschaft durch den Kläger stellte das Amtsgericht S mit Urteil vom xx. xx 1997 fest, dass der Kläger nicht Vater des Kindes war.

Nachdem der Beklagte davon Kenntnis erlangte, änderte er die Bescheide 1994 bis 1997 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO und berücksichtigte die kindbezogenen Vergünstigungen nicht mehr. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch und Klage (Az. des Niedersächsischen Finanzgerichts: 2 K 871/99). Er habe als „Scheinvater” jahrelang Unterhalt für M gezahlt. Weder von der Mutter noch von dem tatsächlichen Vater seien die Beträge zurück zu erlangen. Das Finanzamt könne nicht rückwirkend die Steuervergünstigungen für das Kind streichen, wenn dem Kläger in diesen Jahren tatsächlich Aufwendungen entstanden seien.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2001 führte das Gericht aus, dass es einen gleichgelagerten Fall schon einmal entschieden habe, und dabei die Klage abgewiesen habe. Nach Auffassung des Senats müsse allerdings ein Billigkeitserlass aus Gründen sachlicher Billigkeit in Betracht kommen, denn der Gesetzgeber dürfte bei der Abfassung des Gesetzes an die Scheinvaterschaft nicht gedacht haben.

Die Klage wurde mit Urteil vom 10. Oktober 2001 abgewiesen. Die Frage des Billigkeitserlasses nach § 227 AO wurde in den Urteilsgründen offengelassen. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Der Kläger beantragte daraufhin Teilerlass der Einkommensteuer 1994 bis 1997. Der Antrag wurde einerseits mit sachlicher Unbilligkeit begründet, wobei auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2001 Bezug genommen wurde. Außerdem sei persönliche Unbilligkeit gegeben. Insoweit wurde eine Aufstellung der monatlichen Einnahmen und Ausgaben sowie der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eingereicht.

Mit Bescheid vom xx. xx. 2002 hat der Beklagte den Antrag abgelehnt. Der Anspruch auf Kinderfreibetrag und Haushaltsfreibetrag sei rückwirkend entfallen. Dass die Scheinvaterschaft gesetzlich nicht begünstigt worden sei, sei vom Gesetzgeber durch die Nichtregelung in Kauf genommen worden. Sachliche Billigkeitsgründe würden danach ausscheiden. Anhand der vorgelegten Unterlagen liege keine dauernde Leistungsunfähigkeit vor, weil die monatlichen Einnahmen die Ausgaben übersteigen würden. Daher würden auch persönliche Billigkeitsgründe nicht vorliegen.

Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, es sei bei Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes nicht einzusehen, weshalb der „Scheinvater” nicht mit dem tatsächlichen Vater gleichgestellt werde. Der Kläger habe über einen längeren Zeitraum Unterhaltsleistungen wie ein tatsächlicher Vater erbracht. Für diese Zahlungen erhalte er keinen Ausgleich durch Dritte. Er habe den Staatshaushalt entlastet, weil ansonsten Sozialhilfebedürftigkeit aufgetreten wäre. Wenn das Gesetz den „Scheinvater” nicht regele, liege eine Gesetzeslücke vor, die zugunsten des Klägers ausgefüllt werden müsse.

Mit am xx. xx. 2002 ergangenem Einspruchsbescheid wies der Beklagte den Einspruch zurück. Sachliche Billigkeitsgründe würden ausscheiden, weil die Durchsetzung des Steueranspruchs keine Zweifel begründen würden, die dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen würden. Die vorgetragenen persönlichen Billigkeitsgründen seien aufgrund der bereits getilgten Steuerverbindlichkeiten nicht in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.

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