vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaft als Bezug i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Mittel aus einer Erbschaft sind keine Bezüge i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Das gilt jedenfalls für Erbschaften, die Kinder von einem grundsätzlich kindergeldberechtigten und unterhaltsverpflichteten Elternteil erhalten.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.08.2011; Aktenzeichen III R 22/10)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine Erbschaft zu den sonstigen Bezügen i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zählt.

Der Kläger ist Polizist. Aus seiner 1973 geschlossenen Ehe gingen zwei Söhne hervor: Der am 20. Juli 1980 geborene Sohn S und der am 3. März 1983 geborene Sohn C. Nachdem die Ehe 1988 geschieden wurde, zog die Kindesmutter mit den beiden Söhnen nach Hamburg, wo sie in der Folgezeit wieder heiratete. Für beide Kinder erhielt zunächst die Kindesmutter Kindergeld. Als S im Mai 2005 einen eigenen Hausstand gründete, leistete der Kläger für ihn den höheren Unterhalt, so dass ihm ab diesem Zeitpunkt Kindergeld für seinen Sohn S gewährt wurde. Im gesamten Jahr 2006 studierten beide Söhne. Am 11. Mai 2006 verstarb die Kindesmutter. Erben waren die beiden Söhne zu je 3/8 sowie der neue Ehegatte zu 1/4. Die Erblasserin hinterließ unter anderem zwei Eigentumswohnungen, mehrere Girokonten und Sparbücher sowie Aktiendepots und Lebensversicherungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 11 des Klägerschriftsatzes vom 16. Februar 2010 sowie die Angaben in der Erbschaftsteuererklärung (Bl. 34 ff. Verwaltungsakte) Bezug genommen (Wertpapiere rund 140.000 €, Bausparguthaben rund 42.000 €, Guthaben bei Kreditinstituten rund 31.000 €).

Die Erben teilten den Nachlass in der Weise unter sich auf, dass beide Söhne je eine Eigentumswohnung bekamen; Wertpapiere und Guthaben wurden unter den Beteiligten geteilt.

Im Mai 2007 beantragte der Kläger bei der zu diesem Zeitpunkt zuständigen Familienkasse Kindergeld auch für seinen Sohn C für den Zeitraum Juni bis Dezember 2006. Die Familienkasse lehnte diesen Antrag ab. Gleichzeitig hob sie die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger für den Sohn S ab Januar 2006 auf. In beiden Fällen begründete sie die Entscheidung damit, dass die Einkünfte und Bezüge der Kinder über dem maßgeblichen Grenzbetrag lägen. Insoweit lägen zwar die übrigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen sowie nicht selbstständiger Arbeit und Halbwaisenrente mit 2.199 € bei S und 3.723 € bei C unterhalb des Grenzbetrages; die erhaltene Erbschaft sei jedoch als Bezug i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusehen; dies gelte jedenfalls insoweit, als die Erbschaft aus Barvermögen sowie Aktien und Wertpapieren bestanden habe. Nach diesen Grundsätzen ermittelte die Beklagte Einkünfte und Bezüge für S in 2006 i.H.v. 34.508 € (Bl. 89 Verwaltungsvorgänge) und für C i.H.v. 55.588 € (Bl. 91 Verwaltungsvorgänge).

Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Er ist der Ansicht, dass die Einkünfte und Bezüge seiner beiden Kinder in 2006 unterhalb des maßgeblichen Grenzbetrages lägen. Insoweit sei für die Beteiligten unstreitig, dass die Einkünfte allein den Grenzbetrag nicht überschritten. Die aus der Erbschaft zugeflossenen Beträge stellten keine Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Dies müsste bei Erbschaften zumindest dann gelten, wenn der Erblasser – wie hier – ein unterhaltsverpflichteter Elternteil der Erben sei.

Der Kläger beantragt,

1. den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten bezüglich der Kindergeldfestsetzung für S für 2006 vom 2. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2008 aufzuheben;

2. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 2. Januar 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2008 die Beklagte zu verpflichten, ihm für seinen Sohn C für den Zeitraum Juni bis Dezember 2006 Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Klage richtet sich nunmehr gegen die Oberfinanzdirektion. Zwar hat das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung – Familienkasse – die angefochtenen Verwaltungsakte und die Einspruchsentscheidung erlassen. Diese Behörde wurde jedoch mit Kabinettsbeschluss vom 24. November 2009 (Niedersächsisches Ministerialblatt Nr. 48/2009, Seite 1046) aufgelöst. Deren Aufgaben nimmt nunmehr die Oberfinanzdirektion – hier: LBV Hannover – Familienkasse – wahr. Daher ist die neue Behörde kraft Gesetztes Beteiligter (vgl. von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, § 63 Rdn. 6 m.w.N.).

II. Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, §§ 100 Abs. 1 Satz 1, 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger ...

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