vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen – Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG als sachliche Unbilligkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO.
  2. Zum Begriff der sachlichen Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer.
  3. Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO sind Ermessensentscheidungen, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden können.
  4. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der sog. Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) deren überschießende Wirkung in einer Vielzahl von Fallsituationen bewusst in Kauf genommen hat.
  5. Es kann eine sachliche Unbilligkeit anzunehmen sein, wenn es durch die Anwendung des § 10d Abs. 2 EStG zu einem endgültigen Ausschluss des Verlustausgleichs aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bei gleichzeitiger Besteuerung verbleibenden Einkommens kommt.
 

Normenkette

EStG § 10d Abs. 2; AO § 163

 

Streitjahr(e)

2008

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 20.08.2012; Aktenzeichen I R 9/12)

BFH (Beschluss vom 20.08.2012; Aktenzeichen I R 9/12)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine abweichende Körperschaftsteuerfestsetzung i.H.v. 0 € aus Billigkeitsgründen gem. § 163 der Abgabenordnung (AO); streitig ist insbesondere die Frage einer sachlichen Unbilligkeit aufgrund der Verlustabzugsbeschränkungen des § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klägerin ist eine in Liquidation befindliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und betrieb ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Handel mit Textilien aller Art, insbesondere mit Kinderbekleidung und -moden gewesen ist. Gesellschafter der Klägerin waren zuletzt Frau A. und Herr B. jeweils mit einem Geschäftsanteil i.H.v. DM sowie Frau C. und Frau D. jeweils mit einem Geschäftsanteil i.H.v. DM. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) unter Berücksichtigung eines Wirtschaftsjahres, welches dem Kalenderjahr entsprach.

Nachdem die bisherige Geschäftsführerin Frau E. am 6. November 2006 verstorben war, beschloss die Gesellschafterversammlung vom 30. November 2006 die Auflösung der Gesellschaft sowie die Bestellung der Liquidatoren Herr B. und Frau A.. Die Liquidation wurde zum 30. November 2008 beendet.

Die Klägerin reichte am 5. April 2007 beim Beklagten die Körperschaftsteuererklärung für 2006 sowie den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2006 beim Beklagten ein. Sie erklärte einen Jahresfehlbetrag i.H.v. €, den sie im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2006 ermittelt hatte. Der Beklagte wertete dies dahingehend, dass die Klägerin für das Jahr 2006 entsprechend der Regelung in R 50 Abs. 1 Satz 3 der Körperschaftsteuerrichtlinien ihr Wahlrecht mit der Maßgabe ausgeübt habe, kein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2007 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer für 2006 i.H.v. 0 € fest und stellte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2006 i.H.v. € gesondert fest.

Die Klägerin erzielte im Liquidationszeitraum einen Gewinn i.H.v. €, der insbesondere die ertragswirksame Auflösung von Gesellschafterdarlehen i.H.v. € berücksichtigte. Mit Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für den Liquidationszeitraum beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Januar 2010, die Körperschaftsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen gem. § 163 AO auf 0 € festzusetzen. Zur Begründung trug sie vor, die Verlustbeschränkungen nach § 10d Abs. 2 EStG seien vom Gesetzgeber mit dem Ziel einer Vereinfachung und Verstetigung des Steueraufkommens beschlossen worden. Der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass die Gesetzesänderung der Vereinfachung der Verlustverrechnung dienen solle, aber weiterhin Verluste uneingeschränkt ausgleichsfähig seien sollten. An die Möglichkeit eines Untergangs der Verlustvorträge aufgrund einer Liquidation habe der Gesetzgeber augenscheinlich nicht gedacht.

Der Beklagte folgte diesem Antrag nicht. Er ermittelte unter Berücksichtigung der Verlustabzugsbeschränkungen des § 10d Abs. 2 EStG einen Verlustabzug i.H.v. € (1 Mio. € zzgl. 60 v.H. von €) und ein danach verbleibendes zu versteuerndes Einkommen i.H.v. €. Durch Bescheid vom 10. Juni 2010 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ab, setzte die Körperschaftsteuer i.H.v. € fest und stellte einen verbleibenden Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2008 i.H.v. € gesondert fest.

Gegen die Bescheide legte die Klägerin jeweils form- und fristgerecht Einsprüche ein. Sie hielt insbesondere an ihrem Begehren fest, eine nach § 163 AO abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitserwägungen zu erlangen.

Der Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO hatte keinen Erfolg; der Beklagte wies diesen durch Einspruchsbescheid vom 24. Januar 2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung fü...

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