Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Prozesskostenhilfe in dem Verfahren. Kindergeld Az. VI 621/96 Ki

 

Leitsatz (redaktionell)

Für Kinder ausländischer Mitbürger, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, besteht kein Erfahrungssatz, dass zugunsten der Ausbildung in der Heimat die familiäre Wohn- und Lebensgemeinschaft für den Zeitraum der Ausbildung aufgegeben wird. Ob ein Wohnsitz und damit Kindergeldanspruch besteht, ist nach den objektiven Beweisanzeichen des Streitfalls zu entscheiden.

 

Tenor

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung des Rechtsanwalts … als Prozessbevollmächtigtem Prozesskostenhilfe für das Verfahren VI 621/96 Ki gewährt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um den Kindergeldanspruch des Antragstellers für seine Tochter, die in der Türkei studierte. Der Antragsteller und seine Ehefrau … sind gebürtige Türken, die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben. Ihre am 26. Mai 1976 in … geborene Tochter … besitzt ebenfalls seit Februar 1995 die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie hielt sich von ihrer Geburt an bis November 1994 in der Bundesrepublik Deutschland auf und besuchte anschließend die Schule in der Türkei. In der Zeit von September 1987 bis Juli 1990 lebte sie bei ihren Eltern in Deutschland und besuchte dort die Schule. Im September 1990 kehrte sie zum Zwecke des Schulbesuchs in die Türkei zurück. Im Anschluss daran studierte … dort in der Zeit von 1993 bis August 1997 Physik. Eine dem Antragsgegner eingereichte Schulbescheinigung des türkischen Erziehungsministeriums ist auf Antragvon …, einem Verwandten des Antragstellers, ausgestellt worden. Während der Studienzeit wohnte die Tochter des Antragstellers in einer Wohngemeinschaft. Die Eltern besuchte sie jeweils nur in den Ferien.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1996 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. September 1996 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller den Anspruch auf Kindergeld für … zunächst ab August und anschließend durch Bescheid vom 26. August 1997 ab September 1996. Dies hat der Antragsgegner im wesentlichen damit begründet, dass … weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Den Einspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Einspruchsbescheid vom 2. Oktober 1996 zurück. Der Antragsteller erhob Klage (VI 621/96 Ki) und beantragte zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Kindergeldanspruch für seine Tochter … zu. Subjektive und objektive Umstände sprächenfür einen vorübergehenden Aufenthalt seiner Tochter in der Türkei. Das Studium sei zeitlich bis voraussichtlich Mitte 1997 begrenzt, so dass es auf die tatsächliche Ausbildungsdauer nichtankommen könne. In seiner Wohnung habe jederzeit ein Zimmer für seine Tochter zur Verfügung gestanden. Er sei stets davon überzeugt gewesen, dass seine Tochter nach dem Studium wieder bei ihm und seiner Frau in Deutschland wohnen werde. Es sei nicht gerechtfertigt, ihn wegen seiner Herkunft anders zu behandeln als deutsche Staatsangehörige. Zudem widerspreche die Auffassung des Antragsgegners derjenigen des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 30.09.1996 (10 Kg R 29/95). Hiernach könne ein ausländisches Kind von Migranten, wenn es sich nur zum Zweck einer zeitlich begrenzten Ausbildung im Heimatland seiner Eltern aufhalte, seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Hiernach sei der Anspruch auf Kindergeld gerechtfertigt. Das amtliche Formular mit Einkommensnachweis ging am 16.12.1996 bei Gericht ein.

Der Antragsteller beantragt,

ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt …, für das Klageverfahren VI 621/96 Ki zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Die sehr lange Dauer des Auslandsaufenthaltes deute darauf hin, dass ein inländischer Wohnsitz im Jahre 1996 nicht mehr bestanden habe. Diese Auffassung entspreche dem Urteil des BFH vom 22.04.1994 (Bundessteuerblatt II 1994, 887). Im vorliegenden Streitfall weiche der Sachverhalt zwar insoweit von der Entscheidung des BFH ab, als die Eltern und auch das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten. Hierauf komme es jedoch nicht entscheidend an. Entscheidender Gesichtspunkt sei die sprachliche, verwandtschaftliche und kulturelle Herkunft.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Tochter des Antragstellers in einer Wohngemeinschaft gelebt habe. Angesichts der langen Dauer des Auslandsaufenthaltes von rd. 7 Jahren müsse davon ausgegangen werden, dass der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Kindes nicht bei den Eltern, sondern im Ausland gelegen habe.

Dem widerspreche auch das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 30.09.1996 nicht. Das BSG habe lediglich entschieden, dass für einen Auslandsaufenthalt von unter drei Jahren das Fortbestehen eines inländischen Wohnsitzes angenommen werden könne. In früheren Urteilen sei jedoch auch das Bu...

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