Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur umsatzsteuerrechtlichen Anerkennung einer in der Europäischen Gemeinschaft gegründeten Kapitalgesellschaft im Inland nach der Gründungstheorie

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Gesellschaftsgründung in einem Land der europäischen Gemeinschaft unter Ausnutzung der weniger strengen Gründungsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates stellt keinen Missbrauch dar.
  2. Nach dem EG-Vertrag ist von der Gleichwertigkeit aller nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründeter Gesellschaften zur Tätigkeit im gesamten Gemeinschaftsgebiet auszugehen.
  3. Eine im Ausland tätige und dort gegründete Kapitalgesellschaft bietet den Gläubigern keine höhere Sicherheit im Vergleich zu einer im Inland gegründeten Gesellschaft. Der Zweck des Gläubigerschutzes bietet daher keine Rechtfertigung zu Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.
 

Normenkette

AO § 174 Abs. 1; EGBGB Art. 10; EGVtr Art. 52, 58 (jetzt Art. 48 EG); UStG

 

Tatbestand

Der Antragsteller gründete 1987 mit seiner Ehefrau ... nach spanischem Recht die spanische Aktiengesellschaft "..." (...). Die Gesellschaft wurde im Handelsregister von ... unter Band 887 Abteilung 3 a Buch 699 Blatt 8.412-a eingetragen. Der Antragsteller wurde zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates bestellt, seine Ehefrau zur Sekretärin und das weitere Gründungsmitglied ... zum stimmberechtigten Mitglied. Nach Art. 4 der Satzung hat die Gesellschaft ihren Sitz in ...). Sie kann nach vorherigem Beschluß des Verwaltungsorgans der Gesellschaft an jedem beliebigen Ort Niederlassungen, Zweigstellen und Außenstellen einrichten. Das Gründungskapital beträgt .... Gegenstand der Gesellschaft ist eine Tätigkeit im Bereich des Gaststättengewerbes, elektrische und elektronische Unterhaltungsmaschinen jeder Art und damit verbundene Tätigkeiten. Wegen der Einzelheiten des Organisationsstatus der Gesellschaft wird auf die Satzung verwiesen.

Die Gesellschaft gab in ... von einem ... Steuerberater erstellte Steuererklärungen ab. Eine wirtschaftliche Geschäftstätigkeit übte sie in ... nicht aus.

Am 12. Oktober 1989 wurde eine Zweigniederlassung der Gesellschaft ins Handelsregister ... eingetragen. Die Zweigniederlassung wurde am 10. August 1994 im Handelsregister gelöscht. Die Eintragung einer Zweigniederlassung ins Handelsregister von ... scheiterte.

Die Gesellschaft war in Deutschland als Automatenaufsteller tätig. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen Geschäfte, wie Entleerung der Geldspielautomaten, Abrechnung mit Gastwirten und die Abwicklung der Bankgeschäfte und behördlichen Erfordernisse erledigte der Antragsteller. Für 1989 bis 1993 gab der Antragsteller Umsatzsteuervoranmeldungen für die ... S.A. ab. Die Umsatzsteuervoranmeldungen führten im wesentlichen zu Erstattungen von Vorsteuerüberhängen, denen der Antragsgegner zustimmte.

In der Zeit vom 28. Januar 1992 bis 10. Februar 1993 führte der Antragsgegner bei der ... S.A. eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Dabei kam der Antragsgegner zu dem Ergebnis, dass die ... S.A. nach deutschem Gesellschaftsrecht keine Rechtsfähigkeit erlangt habe und damit auch nicht Unternehmerin sei. Der Antragsgegner ging vielmehr davon aus, dass der Antragsteller als Einzelunternehmer unter dem Namen der ... S.A. tätig geworden sei. Zum Beweis dafür, dass der Antragsteller auch im eigenen Namen tätig geworden sei, legte der Antragsgegner von dem Antragsteller unterschriebene Abrechnungen mit Gaststätteninhabern aus den Jahren 1995 bis 1996 vor. Die Abrechnungen enthielten teilweise nur die Unterschrift des Antragstellers ohne den Stempel der... S.A..

Der Antragsgegner rechnete die von der ... S.A. in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen erklärten Umsätze und Vorsteuern dem Antragsteller zu. Darüber hinaus erhöhte der Antragsgegner die Umsätze im Wege der Schätzung für 1989 um 3.000,00 DM und für 1990 bis 1992 um jeweils 36.000,00 DM, da nach den Aufzeichnungen der ... S.A. die Ausgaben höher waren als die Einnahmen und es der Antragsgegner für unglaubwürdig hielt, dass der Antragsteller der ... S.A. Darlehen in Höhe des Differenzbetrages zur Verfügung gestellt habe. Ferner rechnete der Antragsgegner dem Antragsteller die Umsätze von Frau ... zu. ... hatte am 14. August 1991 den Betrieb einer Spielhalle angemeldet. Hierfür hatte sie von der ... S.A. eine Spielhalle mit Spielgeräten in ... angemietet und auf ihren Namen eine Konzession zum Betrieb der Spielhalle vom Landkreis ... erhalten. Die Eröffnung des Unternehmens zeigte sie dem Antragsgegner an und gab unter ihrem Namen Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Der Antragsgegner ging davon aus, dass ... nur als Strohfrau tätig geworden sei, tatsächlich aber der Antragsteller die Geschäfte geführt habe.

Insgesamt rechnete der Antragsgegner dem Antragsteller folgende Umsätze und Vorsteuern zu (Abkürzungen: ... S.A.: PA; ...: S.E.):

1989/DM

1990/DM

1991/DM

1992/DM

Umsätze PA lt. Voranmeldung

3.755,00

63.820,00

85.358,00

52.085,00

Hinzuschätzung

3.000,00

36.000,00

36.000,00

36.000,00

Umsätze insgesamt

6.755,00

99.820,00

121.358,00

88.0...

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