Im vorliegenden Beitrag wurde gezeigt, dass der Regierungsentwurf zur Vollverzinsung hinsichtlich der Zinshöhe sowie einiger weniger verfahrensrechtlicher Detailfragen grundsätzlich begrüßenswert ist. Hinsichtlich des Umfangs der Neuregelungen kann das Gesetzesvorhaben jedoch nicht überzeugen, da der Regierungsentwurf minimalinvasiv lediglich die durch das BVerfG erzwungenen Anpassungen umsetzt.

Von der Neuregelung gänzlich ausgeklammert bleibt die Modernisierung der weiteren abgabenrechtlichen Verzinsungstatbestände. Auch wenn das BVerfG seine Feststellungen zur Vollverzinsung nicht auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen übertragen hat, ist es aus ökonomischer Perspektive nicht nachvollziehbar, warum z.B. Stundungszinsen weiterhin vollständig vom Kapitalmarktzinsniveau entkoppelt zu berechnen sind. Zu Ende gedacht bedeutet dies eine Diskriminierung derjenigen Steuerpflichtigen, die ihren Steuererklärungspflichten rechtzeitig nachgekommen sind und aus einem, womöglich unverschuldeten, Liquiditätsengpass heraus eine Steuerstundung in Anspruch nehmen müssen, gegenüber denjenigen, bei denen erst nachträglich Steuernachforderungen von der Finanzverwaltung geltend gemacht werden.

Auch wenn der Säumniszuschlag i.S.d. § 240 AO einem anderen Ziel dient als Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen, so setzt sich der Säumniszuschlag neben dem Druckmittelanteil auch aus einem Zinsanteil zusammen. Jüngst werden von der Finanzgerichtsbarkeit (vgl. FG Münster, Az. 12 V 2684/21) Zweifel an der Höhe eben dieses Zinsanteils geäußert, die zwischenzeitlich beim BFH (BFH Az. VII B 54/21 sowie für andere Veranlagungszeiträume VII R 55/20, VII R 19/21) anhängig sind. Eine Anpassung des Zinsanteils der Säumniszuschläge scheint daher dringend geboten.

Insb. im Rahmen von Außenprüfungen werden oft Mehrergebnisse aus weit zurückliegenden Veranlagungszeiträumen festgestellt. In vielen Fällen haben Steuerpflichtige sehr langwierige Außenprüfungen nicht zu vertreten und können auch wenig Einfluss auf eine zügige Prüfung nehmen. Eine zeitliche Begrenzung des Zinslaufs auf vier Jahre (bis zur Einführung des Steuerbereinigungsgesetzes BGBl. I 1999, 2601 war der Zinslauf auf vier Jahre begrenzt) im Rahmen der Anpassung der Verzinsungsregelungen würde einen Anreiz schaffen für zeitnähere und zügigere Außenprüfungen, die allen Beteiligten frühere Rechtssicherheit und Rechtsfrieden ermöglichen würden.

 

Service: Günther, Vollverzinsung ab Verzinsungszeitraum 2019 verfassungswidrig (Bespr. BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BVR 2237/14/1 BVR 2422/17), AO-StB 2021, 314; Dräger, Entscheidung des BVerfG zur Verzinsung von Steuerforderungen und -verbindlichkeiten, AO-StB 2021, 365; Eich, Zweifel an der Verfassungskonformität der Zinshöhe gem. § 238 Abs. 1 S. 1 AO, AO-StB 2018, 320; abrufbar unter steuerberater-center.de

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