Leitsatz

1. Wer die Ausbildung für einen sog. Katalogberuf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllt, kann den Nachweis über den anderweitigen Erwerb entsprechender Kenntnisse auch dadurch führen, dass er sich einer Wissensprüfung durch einen Sachverständigen unterzieht.

2. Das Gericht ist zur Erhebung eines solchen Beweises nur verpflichtet, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte, ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten aber nicht geführt werden kann, und wenn der Kläger die Wissensprüfung beantragt.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 76 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger war gelernter Außenhandelskaufmann und hatte seit Abschluss seiner Ausbildung fast 30 Jahre Berufserfahrung in vorwiegend ausländischen Stellungen gesammelt. Nach Tätigkeiten als angestellter Geschäftsführer machte er sich schließlich selbstständig, zunächst als Handelsvertreter und Industrieberater. Im Streitzeitraum war er freier Mitarbeiter bei einer Unternehmensberatung und hielt seine Tätigkeit für der eines beratenden Betriebswirts ähnlich.

Da das FA anderer Meinung war, kam es zum Rechtsstreit vor dem FG, das ein Gutachten einholte. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger über Kenntnisse der Betriebswirtschaft verfüge, wie sie in einem Universitätsstudium erworben würden.

Dem folgte das FG jedoch nicht. Weder aus den vom Kläger besuchten Fortbildungskursen noch aus der angegebenen Fachliteratur könne der Kläger die entsprechenden Kenntnisse erworben haben. Die vorgelegten praktischen Arbeiten beträfen nur einen Teilbereich der Betriebswirtschaftslehre und seien außerdem von einem Beraterteam angefertigt worden. Ein Obergutachten holte das FG nicht ein und hielt auch eine Wissensüberprüfung durch einen Sachverständigen nicht für möglich.

 

Entscheidung

Der BFH stimmte dem FG darin zu, dass mangels aussagekräftiger Unterlagen über die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und nicht zum Beweis geeigneter praktischer Arbeiten ein Obergutachten nicht erforderlich gewesen sei. Das FG habe aber dem Antrag auf eine Wissensüberprüfung stattgeben müssen. Damit diese Prüfung nachgeholt werden konnte, verwies der BFH das Verfahren an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Nach der Rechtsprechung des BFH gelten enge Voraussetzungen für den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Beruf des beratenden Betriebswirts. Wer nicht ein betriebswirtschaftliches Studium abgeschlossen hat, muss auf anderem Weg nachweisen, dass er Kenntnisse auf allen Hauptgebieten der Betriebswirtschaftslehre hat, die in der Breite und Tiefe mindestens dem entsprechen, was man an einer Fachschule zum staatlich geprüften Betriebswirt lernt.

2. Den Nachweis kann man auf zwei Wegen führen. Entweder man legt Arbeiten aus der praktischen Berufstätigkeit vor oder man lässt sein Wissen von einem Gutachter überprüfen. Die erste Methode führt nur selten zum Ziel, denn der BFH verlangt, dass sich aus den praktischen Arbeiten Kenntnisse in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaft entnehmen lassen. Wer aber arbeitet schon in der Praxis auf allen Gebieten, deren Stoff man sich während der Ausbildung aneignen muss? Die zweite Methode ist da vielleicht erfolgversprechender: Ein Gutachter prüft das Wissen und nimmt dem Kläger gewissermaßen ein verspätetes Berufsexamen ab.

Im Besprechungsfall hatte das FG die Wissensprüfung abgelehnt. Der BFH stellt klar, dass diese Prüfung durchgeführt werden muss, wenn der Kläger sie beantragt und nach Aktenlage nicht unwahrscheinlich ist, dass er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt.

Ohne Antrag darf ein solcher Beweis vom Gericht andererseits nicht erhoben werden. Denn wenn er misslingt, steht schwarz auf weiß fest, dass der Kläger nicht die Kenntnisse eines Betriebswirts hat. Das kann einerseits das Selbstwertgefühl des Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es kann aber ggf. auch berufliche Nachteile mit sich bringen.

Sie sollten den Antrag also nur dann stellen, wenn Sie überzeugt davon sind, dass das Berufsexamen zum staatlich geprüften Betriebswirt bestanden werden kann. Weitergehende Kenntnisse, wie sie an der Universität oder einer Fachhochschule erworben werden, sind nicht erforderlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.6.2002, IV R 56/00

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