Leitsatz

1. Eine Schuldverschreibung, die am Ende ihrer Laufzeit zum Nennbetrag zurückgezahlt wird, ist nur dann ein abgezinstes Wertpapier, wenn bei ihrer Emission für sie ein unter ihrem Nennwert liegender Betrag zu zahlen war.

2. Bei einer minderverzinslichen Optionsschuldverschreibung (Optionsanleihe) trifft dies dann zu, wenn die zugrunde liegenden Anleihebedingungen der Emittentin keine Regelungen enthalten, die darauf schließen lassen, dass der Ausgabepreis ausschließlich für die Schuldverschreibung aufgewendet worden ist.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG , § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 Satz 1 Buchst. a EStG , § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB

 

Sachverhalt

Die X-AG hatte am 3.4.1986 eine Optionsanleihe aufgelegt, die in Optionsschuldverschreibungen im Nennbetrag von 1.000 DM und 10.000 DM aufgeteilt, mit jährlich 3,5 % zu verzinsen und am 3.4.1996 fällig war. Es waren 90 Aktien notwendig, um eine Anleihe in Höhe von 1.000 DM zum Kurs von 100 % verbunden mit einem Optionsschein zum Erwerb von 7 Vorzugsaktien mit einem Nennwert von jeweils 50 DM zum Kurs von 185 DM zu erwerben. Das Bezugsrecht auf die Optionsschuldverschreibungen wurde vom 20.3.1986 bis 27.3.1986 an allen deutschen Wertpapierbörsen gehandelt. Der Preis für den Optionsschein betrug 102 DM, der Preis für die Schuldverschreibung ohne Optionsschein 78,75 % des Nennbetrags. Die Optionsbank ermittelte einen rechnerischen Emissionspreis (Kapitalwert) der Schuldverschreibungen von 78,80 % auf der Basis einer Emissionsrendite von 6,439 %.

Der Kläger und seine Ehefrau erwarben 1991 und 1993 Schuldverschreibungen ohne Optionsscheine zu Kursen von 81,80 %, 81,75 % und 90,50 %. Sie lösten die Schuldverschreibungen bei Fälligkeit ab 3.4.1996 ein. In ihrer Einkommensteuererklärung erklärten sie neben den laufenden Zinseinnahmen von 3,5 % einen Ertrag von 3.046 DM.

Das FA ging demgegenüber von einer Emissionsrendite von 6,439 % und einem Kapitalwert von 78,81 % aus und errechnete unter Berücksichtigung der Zeit, in der der Kläger und seine Ehefrau die Schuldverschreibungen innehatten, einen steuerpflichtigen Ertrag von 37.410 DM.

 

Entscheidung

FG (EFG 2002, 907) und BFH bestätigten die Rechtsauffassung des FA. Bei der Emission der Optionsschuldverschreibungen der X-AG im Jahr 1986 hätten Schuldverschreibung und Optionsrecht nur gemeinsam zum Nennbetrag der Anleihe erworben werden können. Da die Anleihebedingungen im Streitfall keinen Aufschluss über die Zuordnung des Ausgabepreises gäben, sei davon auszugehen, dass der Ausgabebetrag sowohl für den Erwerb der Anleihe als auch für den Erwerb der Optionsscheine aufgewendet worden sei. Deshalb habe nicht nur die Emittentin, sondern auch der Erwerber einer unterverzinslichen Optionsschuldverschreibung den Ausgabepreis aufzuteilen. Der Erwerber sei allein wegen des gleichzeitigen Erwerbs des Optionsrechts bereit, eine Schuldverschreibung mit einer unter dem Marktzins liegenden Verzinsung zu ihrem Nennbetrag zu erwerben.

 

Hinweis

Zu klären war hier die Frage, ob die von einer AG ausgegebenen Optionsschuldverschreibungen "abgezinste Schuldverschreibungen" i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 4a EStG waren. Das war nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Kläger die Schuldverschreibungen einige Jahre nach ihrer Emission zu einem unter dem Nennwert liegenden Kurs erworben hatte und diese am Ende ihrer Laufzeit zum Nennbetrag einzulösen waren. Vielmehr kam es darauf an, ob für sie bei ihrer Emission ein unter ihrem Nennwert liegender Betrag zu zahlen war. Bei dieser Prüfung ist zu beachten, dass der Erwerber von Optionsschuldverschreibungen mit dem Ausgabepreis (Nennbetrag der Anleihe) auch ein Optionsrecht zum Bezug der Aktien erhält.

Es war bisher in der Rechtsprechung ungeklärt, wie die zu pari ausgegebenen Optionsanleihen zu beurteilen sind, die im Hinblick auf die mitbegebenen Optionsrechte mit einem niedrigeren (hier: 3,5 %) als marktüblichen Nominalzins ausgestattet sind. Wird der Ausgabepreis für die minderverzinslichen Schuldverschreibungen und das Optionsrecht bezahlt (sog. Doppelerwerb) oder nur für die Schuldverschreibung, aber mit der Folge, dass dem Ersterwerber das Optionsrecht als Zinsersatz zufließt (sog. Alleinerwerb)? Im Fall des Doppelerwerbs erhält der Ersterwerber eine abgezinste Schuldverschreibung und er – oder ein späterer Erwerber – muss die Einnahmen aus ihrer Veräußerung oder Einlösung nach § 20 Abs. 2 Nr. 4a EStG versteuern. Im Fall des Alleinerwerbs ist die Schuldverschreibung nicht abgezinst, aber der Ersterwerber muss im Zeitpunkt der Emission nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG den Wert des zugeflossenen Optionsrechts in Höhe des jeweiligen Zinsverzichts versteuern.

Soweit die Anleihebedingungen hier keinen Aufschluss geben (vgl. dazu BFH, Urteil vom 16.5.2001, I R 102/00, BFH-PR 2001, 368), ist davon auszugehen, dass ein Doppelerwerb vorliegt. Schuldversprechen und Optionsrecht sind zwei verschiedene Wirtschaftsgüter. Allerdings ist damit noch nicht entschieden, wie der Ausgabepreis aufzute...

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