Steuerstundungsmodell bei einer Einzelinvestition

Erzielt ein Steuerpflichtiger negative Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die Beteiligung an einer Gesellschaft im Wege einer sog. Einzelinvestition, erfordert das Ausnutzen einer modellhaften Gestaltung zur Verlusterzielung aufgrund eines vorgefertigten Konzepts, dass er sich bei der Entwicklung der Geschäftsidee, der Vertragsgestaltung und der Vertragsumsetzung wie ein passiver Kapitalanleger verhält.

Hintergrund: Fremdfinanzierte Schuldverschreibungen

Streitig war, ob sich A, B und C an einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15 b EStG beteiligt haben.

B verfügte im Streitjahr 2006 über hohe steuerpflichtige Einkünfte aus Immobilienveräußerungen. Er beauftragte im November 2006 den RA/StB R mit der Entwicklung eines Konzepts zur Schaffung steuerrechtlichen Verlustverrechnungspotentials. Bereits im Juni 2006 hatte R gegenüber der B-Bank (ohne Beauftragung durch die A, B, C) ein entsprechendes Konzept für in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Investoren unter Errichtung einer KG, die fremdfinanzierte Schuldverschreibungen erwirbt, vorgestellt.

Ausgehend von dem durch R empfohlenen Erwerb einer fremdfinanzierten Schuldverschreibung gründeten die A und B die X-KG als vermögensverwaltende und nicht gewerblich geprägte KG. Kommanditisten wurden A und B. C beteiligte sich als atypisch stiller Gesellschafter.

Die KG erwarb noch in 2006 Schuldverschreibungen der in Luxemburg ansässigen A-Bank mit Bonusabrede und 10- jähriger Laufzeit. Nach den Anleihebedingungen sollten die Schuldverschreibungen jährlich mit einem festen Zinssatz in Höhe von 4 % bezogen auf den gesamten Nennbetrag verzinst werden. Die Zinsen an die KG waren jährlich nachschüssig zu zahlen. Zusätzlich sollte zum Endfälligkeitstermin ein fester-Bonusbetrag und ein variabler Bonuszins gezahlt werden.

Zur Finanzierung der Anschaffung der Schuldversschreibungen gewährte: die B-Bank der KG ein Darlehen. Der ausbezahlte Nettodarlehensbetrag (Bruttodarlehen abzgl. Disagio von 5 %) entsprach den Anschaffungskosten der Schuldverschreibungen. Die KG leistete im Streitjähr an die B-Bank die vorschüssig zu zahlenden Darlehenszinsen. Wegen der an sie nachschüssig zu zahlenden Zinsen erzielte die KG im Streitjähr noch keine Zinseinnahmen.

Die KG erklärter für 2006 u.a. Werbungskosten zu ausländischen Zinsen bestehend aus dem Disagio und den im Streitjahr vorschüssig gezahlten Darlehenszinsen.

Das FA sah die Beteiligungen an der KG als Steuerstudungsmodell i.S.d. § 15b EStG an. Es stellte einen nicht ausgleichsfähigen Verlust i.S.d. § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG und dessen Verteilung auf die Gesellschafter gesondert und einheitlich fest. Die laufenden Einkünfte stellte es mit 0 EUR fest. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung würden den Zinserträgen ab 2007 jährlich Darlehenszinsen in gleicher Höhe gegenüberstehen, sodass im Ergebnis erst 2016 Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern seien und somit durch den Werbungskostenüberschuss im Erstjahr (2006) die Möglichkeit geboten werde, Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen.

Das FG folgte der Auffassung des FA und wies die Klage ab. Der Erwerb der fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibungen beruhe auf dem vorgefertigten Konzept des R. Die KG habe nur in unwesentlichen Punkten Einfluss genommen.

Entscheidung: Kein Steuerstundungsmodell bei wesentlicher Abwandlung des vorgefertigten Konzepts

Der BFH teilt nicht die Auffassung des FA und des FG. Wegen der nicht nur unwesentlichen Abänderung des zunächst vorgefertigten Konzepts durch die KG liegt kein Steuerstundungsmodell vor. Die Revision der KG war sonach begründet.

Vorgefertigtes Konzept

Eine modellhafte Gestaltung zur Erzielung negativer Einkünfte i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG liegt nicht bereits dann vor, wenn eine, (in Fachkreisen) bekannte Gestaltungsidee mit dem Ziel der Verlusterzielung und Verrechnung vom Steuerpflichtigen selbst umgesetzt wird. Charakteristisch für ein vorgefertigtes Konzept ist die Passivität des Investors/Anlegers. Gibt dieser jedoch aktiv die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung – von Anfang an oder in Abwandlung des zunächst vorgefertigten Konzepts – selbst vor und bestimmt er damit das Konzept wesentlich mit, handelt es sich nicht (mehr) um ein vorgefertigtes Konzept (BFH v. 6.2.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014 S. 465, Rz. 20 f.).

Das gilt ebenso, wenn die negativen Einkünfte nicht durch die Beteiligung an einem geschlossenen Fonds, sondern im Wege einer sog. Einzelinvestition durch die Beteiligung an einer Gesellschaft erzielt werden (BFH v. 11.11.2015, VIII R 7-4/13, BStBl II 2016 S. 388, Rz. 15; BMF v. 17.7.2007, BStBl I 2007 S. 542, Rz. 7). Der BFH hält an seiner im Urteil v. 17.1.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017 S. 700, zu einem vergleichbaren Sachverhalt dargelegten Auslegung der Merkmale in § 15 b Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG fest. Eine andere Auslegung würde zu Ungleichheiten führen.

Lenkungszweck

Auch der Lenkungszweck des § 15b EStG verlangt nicht, negative Einkünfte aufgrund einer Einzelinvestition im Wege einer Beteiligung an einer Gesellschaft anderen Kriterien zu unterwerfen als negative Einkünfte aus der Beteiligung an einem geschlossenen Fonds. Nach § 15b Abs. 2 Satz 3 EStG ist es unerheblich, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (im Streitfall: Sofortabzug des Disagios nach § 11 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG und gezahlte Schuldzinsen als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EstG). § 15 b EStG soll nicht verhindern, dass zu Verlusten führende Vorschriften von Einzelinvestoren genutzt werden, sondern nur unterbinden, dass die Nutzung solcher Regelungen konzeptionell einer Vielzahl von Steuerpflichtigen angeboten wird (BFH v. 6.6.2019, IV R 7/16, BStBl II 2019 S. 513, Rz. 28).

Tatsächlicher Einfluss auf die Gestaltung des Investitionskonzepts

Nach der tatsächlichen Gestaltung haben die KG-Gesellschafter die von R vorgeschlagene und in Fachkreisen bekannte Gestaltungsidee des Erwerbs einer fremdfinanzierten Schuldverschreibung individuell angepasst und sich nicht wie passive Kapitalanleger verhalten. Die Gründung der KG war nicht Teil der von R an die B-Bank übersandten Investitionsidee. Diese sah lediglich eine Beteiligung der Investoren über ein Treuhandverhältnis mit einem abgestimmten Vertragswerk vor. A, B und C blieben auch bei der Ausgestaltung und Umsetzung der KG nicht passiv. Sie verfassten den Gesellschaftsvertrag selbst und verhandelten erfolgreich mit der B-Bank. Damit haben sie unter Beauftragung des R und durch Eigenleistungen, eine individuell angepasste Investition verwirklicht. Die Erzielung der negativen Einkünfte beruht daher nicht (mehr) auf dem von R vorgefertigten Konzept.

Hinweis: Bestätigung der Rechtsprechung

Die Entscheidung setzt die Grundsätze des Urteils v. 17.1.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700, fort. Bei der Gesamtbetrachtung, ob die Anpassung eines vorgefertigten Konzepts über nur formale und unwesentliche Änderungen hinaus geht, vertritt der BFH eine großzügigere Auffassung als das FG. In der Gründung der KG anstatt der von E vorgesehenen Beteiligung über ein Treuhandverhältnis und in der eigenständigen Vornahme der Geschäfte ohne Überlassung an Dritte sieht der BFH wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten nicht lediglich auf eine fertige Investition zugegriffen, sondern aufgrund eigener Initiative eine individuell angepasste Investition verwirklicht haben.

Änderung der Rechtslage bei Verlusten aus Kapitalvermögen

Die Berücksichtigung der Verluste aus Kapitalvermögen der KG bei den Einkünften aus VuV erklärt sich aus der Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer. Nach der neuen Rechtslage (§ 20 Abs. 6 EStG) können Verluste aus Kapitalvermögen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen nach speziellen Verrechnungsregeln berücksichtigt werden.

BFH, Urteil v. 16.3.2023, VIII R 10/19; veröffentlicht am 29.6.2023

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