Rz. 10

Wird ein StB im Wege der Prozesskostenhilfe für das finanzgerichtliche Verfahren beigeordnet und hat er seinen Mandanten bereits im Vorverfahren vertreten, so stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

Seit der Änderung der StBGebV (jetzt: StBVV) zum 01. 01. 2007, wonach eine völlige Angleichung an das RVG erfolgte, ist eine Anrechnung vorzunehmen (vgl. hierzu VStB Kennzahl 5150 Rz. 9a bzw. für Verfahren nach dem 31. 07. 2013 in VStB Kennzahl 5160 Rz. 10). Der Entscheidung des FG Köln v. 26. 02. 2007 (10 Ko 1308/06), wonach dies auch schon vor der Angleichung an das RVG gelten soll, ist u. E. keine Beachtung zu schenken. Die Frage der Höhe der Anrechnung in PKH-Verfahren bleibt zunächst noch offen. Unseren Erachtens muss eine fiktive Geschäftsgebühr berechnet werden.

 

Beispiel (Anwendung Tabelle StBVV n. F. 2012; RVG-Tabelle vor dem 01. 08. 2013):

Es wird Klage erhoben (Streitwert 8 100 Euro) und der StB durch Beschluss beigeordnet. Dieser hatte den Mandanten M auch schon im Vorverfahren vertreten und unter anderem eine 1,3fache Geschäftsgebühr i. H. v. 612,30 Euro (1,3 × 471 Euro) abgerechnet. Das Verfahren wird durch ein abweisendes Urteil entschieden.

Somit kann unter anderem für das Klageverfahren im Rahmen der Erstattung aus der Staatskasse eine 1,6fache Verfahrensgebühr i. H. v. 475,20 Euro (1,6 × 297 Euro) geltend gemacht werden (§ 49 RVG, VV NR. 3200).

Nach der in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 geltenden Regelung ist die Hälfte der Geschäftsgebühr, max. eine 0,75fache Gebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Hier würde sich dann theoretisch folgende Rechnung bezüglich der erstattungsfähigen Kosten ergeben:

 
1,6 Verfahrensgebühr 475,20 Euro
abzgl. 1/2 Geschäftsgebühr 306,15 Euro
verbleiben 169,05 Euro

Im Hinblick darauf, dass § 49 RVG ab einem Streitwert von über 30 000 Euro eine Festgebühr i. H. v. 447 Euro vorsieht, wäre es unangemessen und rechtsmissbräuchlich, würde man den Abzug aus dem Vorverfahren nicht so vornehmen, als wäre er dort ebenfalls beigeordnet gewesen. Bei einem Streitwert von 67 000 Euro käme es dann – unter den obigen Gegebenheiten – nämlich zu folgernder Rechnung:

Die 1,3fache "normale" Geschäftsgebühr im Vorverfahren würde 1664 Euro (1,3 × 1280 Euro) betragen. Die Hälfte beliefe sich somit auf 832 Euro.

Im Klageverfahren könnte man nach § 49 RVG eine 1,6fache Verfahrensgebühr i. H. v. 715,20 Euro (1,6 × 447 Euro) abrechnen. Durch eine komplette Anrechnung käme der StB dann letztendlich zu einer "verdienten" Gebühr i. H. v. -116,80 Euro.

Auch wenn solch hohe Streitwerte nicht das Alltagsgeschäft eines StB sind, so ist dieses Ergebnis doch absurd und zeigt auf, dass hier eine Regelungslücke besteht. U. E. ist daher eine "fiktive" Kürzung vorzunehmen. In letzterem Beispiel würde diese sich wie folgt berechnen:

"fiktive" 1,3fache Verfahrensgebühr × 447 Euro = 581,10 Euro, davon 1/2 = 290,55 Euro.

Im Klageverfahren verbliebe dann noch eine Gebühr von 715,20 Euro abzgl. 290,55 Euro = 424,65 Euro.

Im Rahmen des KostRÄG 2021, welches zum 01. 01. 2021 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber hierfür in § 58 Abs. 2 S. 2 RVG folgende Regelung geschaffen:

 

§ 58 Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen

...

(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 besteht. Ist eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15a Absatz 1 ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.

...

Mit der Regelung in Satz 2 soll nun klargestellt werden, wie auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen ist, wenn ein Bevollmächtigter bereits Gebühren im Vorverfahren verdient hat. Nicht selten hat es Unstimmigkeiten bei der Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse in Anrechnungsfällen gegeben. War im vorgerichtlichen Verfahren eine Geschäftsgebühr entstanden, war trotz der Bestimmung in § 15a Abs. 1 RVG strittig, ob eine Anrechnung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu erfolgen hat oder nicht und dies ungeachtet dessen, ob der Mandant bereits Zahlungen geleistet hat. Dies ist jetzt klar geregelt. Hat der Mandant noch keine Zahlung geleistet, kann nicht angerechnet werden. Grundvoraussetzung für eine Anrechnung ist also erst einmal, dass der Mandant tatsächlich Zahlungen auf die anzurechnende Gebühr geleistet hat.

Des Weiteren sind diese Zahlungen zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhil...

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