Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines Prozessbevollmächtigten. Rechtsgrundlage. Geschäftsmäßigkeit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten

 

Orientierungssatz

1. Wer geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten vor Gericht betreibt, ohne Rechtsanwalt oder Angehöriger der in § 73 Abs. 6 S. 3 SGG benannten Gruppen zu sein, ist als Bevollmächtigter oder Beistand in der Verhandlung ausgeschlossen.

2. Geschäftsmäßigkeit erfordert eine selbständige, mit Wiederholungsabsicht betriebene, nicht nur aus Gefälligkeit ausgeübte Tätigkeit. Vorausgesetzt wird daher ein Hinausgehen über den aus besonderen Gründen ausgeübten Gelegenheitsfall.

3. In Verfahren vor dem Sozial- und Landessozialgericht besteht kein Anwaltszwang. Wird ein Dritter ausschließlich auf freundschaftlicher Grundlage und unentgeltlich für einen Prozessbeteiligten tätig, so handelt er nicht geschäftsmäßig und kann deshalb von der Verhandlung nicht ausgeschlossen werden. Das gilt auch dann, wenn er nicht rechtskundig ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Klägers und seines Bevollmächtigten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2004 aufgehoben.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2004, mit dem dieses den Beschwerdeführer zu 2.) als Bevollmächtigten des Klägers aus dem Verfahren ausgeschlossen hat. In der Sache ficht der Kläger drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide der Beklagten in der Gestalt zweier Widerspruchsbescheide an, mit denen die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe für Zeiträume zwischen August und Dezember 1995 aufgehoben und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von insgesamt 2.204,10 DM zzgl. von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 115,79 DM gefordert hat.

Der Kläger, der seine Klage im Wesentlichen auf angeblich eingetretene Verjährung stützt, ließ diese durch den Beschwerdeführer zu 2.) erheben, der zugleich eine entsprechende Vollmacht vorlegte. Auf Bitte des Sozialgerichts, seine Vertretungsbefugnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) darzulegen, teilte der Beschwerdeführer zu 2.) mit, dass er mit dem nicht ausreichend rechtskundigen Kläger befreundet und von ihm gebeten worden sei, ihm in der vorliegenden Sache zur Seite zu stehen. Es handele sich ausnahmslos um eine kostenfreie Hilfeleistung im Rahmen einer Freundschaft. Es bedürfe daher keiner besonderen Vertretungsberechtigung, zumal er nicht geschäftsmäßig vor Gericht auftrete. Mit Schreiben vom 21. Juni 2001 vertrat das Sozialgericht Berlin hingegen die Auffassung, dass seine wiederholten Schriftsätze im Verwaltungs- und Klageverfahren für ein geschäftsmäßiges Auftreten sprächen. Zugleich regte es an, die Bevollmächtigung zu beenden, was die Beschwerdeführer ablehnten.

Nachdem der Kläger - in Begleitung seines Bevollmächtigten - und die Beklagte zwischenzeitlich vor Gericht einen Vergleich geschlossen, beide Seiten diesen schließlich widerrufen hatten, über Monate hinweg nur noch Schriftsätze ausgetauscht worden waren, in denen es um die Sache selbst ging, und die Beklagte mit verschiedenen Bescheiden die ursprünglich angefochtenen geändert hatte, teilte das Gericht schließlich dem Beschwerdeführer zu 2.) mit Schreiben vom 21. Juni 2004 mit, dass es beabsichtige, ihn als Bevollmächtigten des Klägers zurückzuweisen. Es sei von einem geschäftsmäßigen Betreiben fremder Rechtsangelegenheiten auszugehen, da er nach Aktenlage in mindestens fünf gerichtlichen Verfahren als Bevollmächtigter aufgetreten sei. Darüber hinaus dürfte sein Tätigwerden gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen. Hiergegen wandte der Beschwerdeführer zu 2.) ein, dass er nur für den Kläger tätig werde. Dass dies in mehreren Verfahren der Fall sei, müsse unerheblich sein.

Mit Beschluss vom 19. November 2004 hat das Sozialgericht Berlin den Bevollmächtigten des Klägers von dem Verfahren ausgeschlossen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dieser entgegen Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG geschäftsmäßig Rechtsberatung betreibe, ohne hierzu berechtigt zu sein. In der Sache stehe die Klärung rechtlicher Verhältnisse im Vordergrund, sodass zur Besorgung der - für den Beschwerdeführer zu 2.) - fremden Rechtsangelegenheiten eine Erlaubnis erforderlich sei, die dieser nicht habe. Zwar könne sich nach § 73 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - ein Beteiligter durch jede prozessfähige Privatperson vertreten lassen. Dies gelte allerdings nur innerhalb der Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung von Art. 2 Abs. 1 2. Halbsatz des Grundgesetzes. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehöre die Vorschrift des Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG. Vor diesem Hintergrund werde das Gericht weiteren Schriftverkehr nur noch mit dem Kläger führen.

Gegen diesen dem Kläger und dem Beschwerdeführer zu 2.) jeweils am 26. November 2004 zugestellten Beschluss richten sich ihre am 13. Dezember bzw. 30. November 2004 eingelegten Beschwerden. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass mit der Vorsitzenden ...

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