Rn. 126

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Art 68 Abs 2 VO (EG) Nr 883/2004 regelt in S 1 die Leistungspflicht des vorrangig zuständigen Leistungsträgers und in S 2 das Aussetzen nachrangiger Ansprüche sowie die Zahlung von Unterschiedsbeträgen. Nach Art 68 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004 hat der zuständige Leistungsträger die nach den vorrangigen Rechtsvorschriften zu ermittelnden Familienleistungen in voller Höhe zu gewähren, dabei werden Zahlungen im nachrangigen Staat nicht darauf angerechnet, Selder in Brandis/Heuermann, § 65 EStG Rz 29 (Mai 2020).

 

Rn. 127

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Kommt ein Anspruch des Berechtigten auf Unterschiedsbeträge iSd Art 68 Abs 2 S 2 Hs 2 VO (EG) Nr 883/2004 in Betracht, ist der zuständige Träger im vorrangig verpflichteten Mitgliedstaat gemäß Art 60 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009 verpflichtet, dem zuständigen Träger im nachrangig verpflichteten Mitgliedsstaat den Antrag und den Leistungsbescheid in Kopie zu übersenden. Die (nachrangigen) Ansprüche auf Familienleistungen, die nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften bestehen, werden nach Art 68 Abs 2 S 2 Hs 1 VO (EG) Nr 883/2004 bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften geltenden Betrags ausgesetzt.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob für jedes einzelne Kind eine Einzelbetrachtung durchzuführen und zu ermitteln ist, in welcher Höhe jeweils ein Anspruch auf Familienleistungen im vorrangig verpflichteten und im nachrangig verpflichteten Mitgliedsstaat besteht, oder ob eine solche Betrachtung für alle im vorrangig und im nachrangig verpflichteten Staat zu berücksichtigenden Kinder vorzunehmen ist, vgl dazu Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Art 68 VO (EG) 883/2004 Rz 29 (Dezember 2017). Der Auffassung, dass für alle im vorrangig und im nachrangig verpflichteten Staat zu berücksichtigenden Kinder eine Gesamtbetrachtung (familienbezogene Betrachtung) zu erfolgen hat, da andernfalls bei Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die in Bezug auf die dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen in unterschiedlicher Weise nach Alter, Ordnungszahl oder Gesamtzahl der Kinder gestaffelt sind, für dieselben Kinder gleichartige Familienleistungen in einer Höhe gezahlt würden, die die in den einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Leistungen übersteigen würde, so Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Art 68 VO (EG) 883/2004 Rz 29 (Dezember 2017); FG Köln v 10.03.2016, 1 K 903/13, ist der BFH nicht gefolgt; BFH v 13.04.2016, III R 34/15, BFH/NV 2016, 1465. Stattdessen ist eine kindbezogene Betrachtung anzustellen, eine Kürzung des Differenzkindergeldes bei einzelnen Kindern durch Verrechnung eines übersteigenden Betrages bei anderen Kindern ist mangels gesetzlicher Grundlage ausgeschlossen, BFH v 04.02.2016, III R 9/15, BStBl II 2017, 121; BFH v 13.04.2016, III R 34/15, BFH/NV 2016, 1645.

 

Rn. 128

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Nach Art 68 Abs 2 S 2 HS 2 VO (EG) Nr 883/2004 ist ein Unterschiedsbetrag dann zu zahlen, wenn der Anspruch auf Familienleistungen im nachrangig zuständigen Mitgliedsstaat höher ist als der Anspruch im vorrangig verpflichteten Mitgliedsstaat. Auch insoweit ist eine Gesamtbetrachtung in Bezug auf alle im vorrangig und im nachrangig verpflichteten Mitgliedsstaat zu berücksichtigenden Kinder vorzunehmen, Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Art 68 VO (EG) 883/2004 Rz 31 (Dezember 2017).

 

Rn. 129

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Gemäß Art 68 Abs 2 S 3 VO (EG) Nr 883/2004 sind Unterschiedsbeträge für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder jedoch dann nicht zu gewähren, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird. Der entsprechende Leistungsanspruch wird nur dann ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst, wenn die berechtigte Person nach Art 11 Abs 3 Buchst e VO (EG) Nr 883/2004 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaats unterliegt, Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Art 68 VO (EG) 883/2004, Rz 35 (Dezember 2017); FG Bbg v 10.10.2019, 7 K 3133/17. Die Anwendung des Art 68 Abs 2 S 3 VO (EG) Nr 883/2004 hat zur Voraussetzung, dass die Prioritätsregel nach Art 68 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004 Anwendung findet, dh, dass im vorrangig und im nachrangig verpflichteten Mitgliedstaat für dasselbe Kind ein Anspruch auf Familienleistungen besteht. Besteht jedoch für das betreffende Kind im vorrangig verpflichteten Mitgliedsstaat kein Anspruch auf eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung, greift die Regelung des Art 68 Abs 2 S 3 VO (EG) Nr 883/2004 nicht ein, BFH v 18.02.2021, III R 27/19, BFH/NV 2021, 886; BFH v 18.02.2021, III R 60/19, BFH/NV 2021, 942.

Nach zutreffender Auffassung hat in diesem Fall der nachrangig verpflichtete Mitgliedsstaat die Familienleistung für dieses Kind in Höhe des nach nationalem Recht zu gewährenden Kindergelds zu gewähren, sofern die Anspruchsvoraussetzungen nach nationalem Recht erfüllt sind, BFH v 18.02.2021, III R 27/19, BFH/NV 2021, 886; BFH v 18.02.2021, III R 60/19, BF...

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