rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines unbeschränkt steuerpflichtigen, im Inland wohnhaften Anspruchstellers für seine gemeinsam mit seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau am Familienwohnsitz in Polen lebenden Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Anspruchsteller, der neben seinem inländischen Wohnsitz einen gemeinsamen Haushalt mit seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau und seinen Kindern in Polen führt, ist in der Zeit, in der er in Deutschland ein Gewerbe angemeldet hat und daraus regelmäßig Einkünfte erzielt, Kindergeld zu gewähren.

2. Anders als bei einem gemäß § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Anspruchsteller ist nicht erforderlich, dass jeden Monat Einkünfte erzielt werden. Denn saison- und/oder konjunkturbedingte Umsatzausfälle sind für selbständige Erwerbstätigkeiten nicht ungewöhnlich und können nicht ohne Weiteres zum Anlass genommen werden, das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit auszuschließen.

3. Geht der Anspruchsteller nach Abmeldung seines Gewerbes keiner beruflichen Tätigkeit im Inland mehr nach, ist Polen für die Gewährung von Familienleistungen zuständig. Im Inland besteht auch dann kein Kindergeldanspruch mehr, wenn wegen Überschreitens der Einkommensgrenze weder ihm noch seiner Ehefrau ein Anspruch auf polnische Familienleistungen zusteht.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 1, 3; EGV 883/2004 Art. 11 Abs. 3; EGV Nr. 883/2004 Art. 68 Abs. 1 Buchst. a

 

Tenor

Für den Kläger wird unter Änderung des Kindergeldbescheides vom 23.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.06.2017 Kindergeld für die Monate Februar 2014 bis April 2014 für die Kinder B., C. und D. in Höhe von insgesamt 558,00 EUR/Monat festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 40 % dem Kläger und zu 60 % dem Beklagten auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger Kindergeld für die Streitzeiträume zusteht. Der am 07.03.1980 geborenen Kläger ist Vater der in den Jahren 1999 bis 2013 geborenen Kinder B., C. und D..

Am 20.03.2010 meldete er einen Betrieb Trockenbau sowie Holz- und Bautenschutz gewerberechtlich an (Bl. 8 Kindergeldakte –KGA–). Einen Wohnsitz in Deutschland meldete er am 23.03.2010 unter der Anschrift E.-straße in F. an, von wo er sich am 16.12.2010 in die G.-straße in F. ummeldete. Am 27.09.2011 beantragte der Kläger erstmals Kindergeld, wobei er angab, verheiratet (und nicht dauernd getrennt lebend) zu sein und dass seine Ehefrau mit den Kindern in Polen lebe. Die Ehefrau stimmte der Gewährung des Kindergelds an den Kläger zu, ebenso im Folgeantrag für die am 02.01.2013 geborene Tochter D.. Des Weiteren legte er die Kopie eines Wohnraum-Mietvertrags für den Mieter H. und eine Vereinbarung, nach der der Vermieter keine Einwände gegen einen Übergang des Mietverhältnisses auf den Kläger erhebe, vor sowie ein an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 20.01.2011, nach dem der Vermieter keine Einwendungen gegen eine teilgewerbliche Nutzung der Wohnung erhebe (Bl. 10 ff. KGA). Weiterer Schriftverkehr seitens des Vermieters wurde am 08.09.2011 und 13.03.2015 geführt (Bl. 95 ff. Gerichtsakte –GA–). Ferner legte der Kläger einen Bescheid einer polnischen Behörde vor, nach der diese der Ehefrau des Klägers Kindergeld wegen Überschreitens der Einkommensgrenze für den Zeitraum 01.11.2011 bis zum 31.10.2012 verweigerte (Bl. 41 f., 53 f. KGA). Mit Bescheid vom 06.02.2012 gewährte die seinerzeit zuständige Familienkasse dem Kläger Kindergeld für die (beiden seinerzeit geborenen) Kinder ab Mai 2010 (Bl. 58 KGA). Ab Januar 2013 zahlte die Familienkasse Kindergeld für D. (Bl. 81 KGA).

Wegen der vom Kläger in den Jahren 2012 bis 2015 erzielten Einkünfte wird auf seine Schriftsätze vom 20.03.2018 und 28.02.2019 nebst Anlagen verwiesen (Bl. 108 ff., 123 ff. GA).

Mit Wirkung vom 27.08.2014 meldete der Kläger sein Gewerbe ab (Bl. 107 KGA) und mit Wirkung vom 14.02.2015 bis 01.09.2015 wieder an (Bl. 116, 128 KGA). Vom 20.10.2014 bis 19.11.2014 ging er einer nichtselbständigen Tätigkeit nach (Bl. 108 f. KGA).

Es liegen folgende weitere Unterlagen über die berufliche Tätigkeit des Klägers vor:

  • • Rechnung vom 31.01.2014 über im Januar 2014 ausgeführte Arbeiten (Bl. 212 KGA),
  • • Rechnung vom 30.07.2014 über im Mai und Juni 2014 ausgeführte Arbeiten (Bl. 58 GA 7 V 7097/17),
  • • Rechnung vom 31.07.2014 über im Juli 2014 ausgeführte Arbeiten (Bl. 214 KGA),
  • • Rechnung vom 31.08.2014 über im August 2014 ausgeführte Arbeiten (Bl. 215 KGA),
  • • Lohnsteuerbescheinigung f...

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