A. Zweck der Vorschrift

 

Rn. 140

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Die durch das StÄndG 2003 (BGBl I 2003, 2645) geschaffene und erstmals für den VZ 2004 anwendbare Regelung knüpft die nach einem DBA vorgesehene Freistellung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit an den zusätzlichen Nachweis, dass entweder der andere Vertragsstaat auf die Ausübung seines Besteuerungsrechtes verzichtet hat oder die von ihm festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Nach der Gesetzesbegründung soll damit verhindert werden, dass es zu einer doppelten Nichtbesteuerung von Einkünften kommt, weil der StPfl Einkünfte im Tätigkeitsstaat pflichtwidrig nicht erklärt und dieser Staat häufig seinen Besteuerungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann, wenn er von dem Sachverhalt erfährt, weil dann zB keine Vollstreckungsmöglichkeiten mehr bestehen (BT Drs 15/1562, 39). Die abkommensrechtlich vereinbarte Freistellung der Arbeitslöhne wird damit unilateral von zusätzlichen Nachweiserfordernissen abhängig gemacht und ggf überschrieben, dh, entgegen der abkommensrechtlichen Vereinbarung werden die entsprechenden Arbeitslöhne in die inländische Steuerfestsetzung einbezogen (sog Subject-to-tax-Klausel).

Dieses unilaterale Treaty override, welches im Gegensatz zu dem ursprünglichen abkommensrechtlichen Prinzip der Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung steht, ist verfassungsgemäß. Es liegt weder ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art 20 GG noch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG vor (BVerfG vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359; BFH vom 29.06.2016, I R 66/09, BFH/NV 2016, 1688); entgegen Vorlagebeschluss BFH vom 10.01.2012, BFHE 236, 304; s zB Schwenke, FR 2012, 443–450; Cloer/Hagemann, NWB 2016, 1802; Lehner, IStR 2016, 217; Frotscher, IStR 2016, 561).

B. Anwendungsbereich, Verhältnis zu anderen Normen

 

Rn. 141

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Bei DBA ohne eine abkommensrechtlich vereinbarte Rückfallklausel ist § 50d Abs 8 EStG vorrangig anzuwenden, in diesen Fällen liegt ein Treaty override vor. Enthält das anwendbare DBA eine abkommensrechtlich vereinbarte Rückfallklausel, geht diese § 50d Abs 8 EStG vor (s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 45; BMF vom 20.06.2013, BStBl I 2013, 980). Dies gilt gleichermaßen für Subject-to-tax-Klauseln, nach denen das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückverwiesen wird, weil der ausländische Staat von seinem Besteuerungsrecht nicht Gebrauch macht (zB Art 13 Abs 2 DBA-Frankreich, Art 15 Abs 4 DBA Österreich, Art 15 Abs 3 und 4 DBA Schweiz) wie für sog Remittance-Base-Klauseln, nach denen die Besteuerung der Einkünfte von deren Überweisung in den Tätigkeitsstaat abhängt (zB Art 24 DBA Großbritannien, Art 29 DBA Irland, Art 2 Abs 2 DBA Israel).

Durch ein zeitlich nachfolgendes DBA wird § 50d Abs 8 EStG nicht überschrieben (BFH vom 25.05.2016, BStBl II 2017, 1185: Lex-posterior-Grundsatz nicht anwendbar; kritisch zu Recht Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz 6c (08/2019): grundsätzlich Anwendungsvorrang zeitlich nachfolgender DBA wegen Völkerrechtsfreundlichkeit des GG, sofern keine abweichende gesetzliche Anordnung zB "ungeachtet bestehender und zukünftiger DBA").

Ebenfalls nicht anwendbar ist § 50d Abs 8 EStG auf Einkünfte aus Staaten, die nach dem Auslandstätigkeitserlass (BMF vom 31.10.1983, BStBl I 1983, 470) im Inland steuerbefreit sind (s BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 45). Dies ergibt sich schon allein daraus, dass der Auslandstätigkeitserlass nur für Arbeitseinkünfte aus Nicht-DBA-Staaten Gültigkeit hat, während § 50d Abs 8 EStG tatbestandlich nach einem DBA befreite Arbeitseinkünfte voraussetzt.

Hinsichtlich des Verhältnisses zu § 50d Abs 9 EStG ging die Rspr bis zum VZ 2017 von einem Vorrang des § 50d Abs 8 EStG als speziellere Norm vor der allgemeineren Rückfallregelung des Abs 9 aus, da sich die Rückfallklausel des § 50d Abs 8 EStG ausschließlich auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezieht (BFH vom 11.01.2012, I R 27/11, BFH/NV 2012, 862; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 175a (07/2018); Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff ua, Außensteuerrecht, § 50d EStG Rz 142 (09/2019); Kempermann, FR 2012, 467; aA Mitschke, FR 2012, 467). Nach Änderung von § 50d Abs 9 S 3 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG (BGBl I 2013, 1809) sind beide Vorschriften nebeneinander anwendbar (ganz hM s BFH vom 20.08.2014, BStBl II 2015, 18; BMF vom 03.05.2018, BStBl I 2018, 643 Rz 46; Gosch in Kirchhof, § 50d EStG Rz 41j (18. Aufl); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 175a (07/2018); rückwirkende Anwendung nach § 52 Abs 59a S 9 EStG aF auf alle noch offenen Fälle (verfassungswidrig, s Vorlagebeschluss BFH vom 20.08.2014, I R 86/13, BStBl II 2015, 18 mwN). Durch dieses Nebeneinander kann es trotz Aufrechterhaltung der Freistellung nach § 50d Abs 8 EStG namentlich den Fällen des Verzichts des Tätigkeitsstaates auf sein Besteuerungsrecht zu einer Besteuerung im Inland nach § 50d Abs 9 EStG kommen (aA Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 110 (01/2019)).

C. Tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen

 

Rn. 142

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Tatbestandlich setzt § 50d Abs 8 EStG voraus, dass Einkünft...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge