Rn. 130

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Brexit als schädliches Ereignis: § 4g EStG wurde mit Brexit-StBG v 25.03.2019 (BGBl I 2019, 357) um Abs 6 erweitert, um die Besteuerungsfolgen des Austritts des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (UK) aus der EU abzufedern. War für die Überführung von WG in UK-Betriebsstätten ein Ausgleichsposten gebildet worden, hätte der Brexit ein"passives" schädliches Ereignis iS § 4g Abs 2 S 2 Nr 2 EStG aF (Ausscheiden aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der EU) dargestellt, das die gewinnerhöhende Zwangsauflösung des Ausgleichspostens zur Folge gehabt hätte. § 4g Abs 6 EStG idF ATADUmsG verweist nunmehr insgesamt auf die schädlichen Ereignisse iS § 4g Abs 2 S 2 EStG, der seinerseits weiter verweist auf § 36 Abs 5 S 4 EStG, so dass offen bleibt, von welchem der in § 36 Abs 5 S 4 Nr 1–5 EStG bezeichneten schädlichen Ereignisse der Brexit konkret erfasst werden soll. Die Verlagerung der betreffenden WG in andere als die in S 1 genannten (Dritt-)Staaten (schädliches Ereignis iS § 36 Abs 5 S 4 Nr 1 EStG) scheidet aus, da mit dem Brexit eine insoweit erforderliche (aktive) Verlagerung gerade nicht stattgefunden hat (s Rn 76). Gleiches gilt für die Betriebsverlegung (schädliches Ereignis iS § 36 Abs 5 S 4 Nr 2 EStG, s Rn 80).

 

Rn. 131

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Suspendierung der Sofortauflösung durch EU-Verbleibensfiktion: § 4g Abs 6 EStG soll sicherstellen, dass der Brexit die Besteuerungsfolgen des § 4g Abs 2 S 2 EStG, dh ein "Passiv-Ausscheiden" (Reddig in Kirchhof/Seer, § 4g EStG Rz 28 (20. Aufl 2021)), nicht bereits auslöst. Hierzu wird angeordnet, dass allein der Brexit nicht dazu führt, dass ein als entnommen geltendes WG als aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der EU ausgeschieden gilt. Durch die Fiktion des Verbleibens in der Besteuerungshoheit der EU wird die (mögliche) Rechtsfolge der Sofortauflösung des Ausgleichspostens für die WG suspendiert, die unter Neutralisierung des Entstrickungsgewinns durch Bildung eines Ausgleichspostens vor dem Brexit in eine UK-Betriebstätte überführt wurden und damit als fiktiv entnommen galten. Die EU-Verbleibensfiktion führt ferner dazu, dass die Änderung der Zuordnung eines WG zu einer anderen Betriebsstätte innerhalb des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland ebenfalls keine Zwangsauflösung des damit in Zusammenhang stehenden Ausgleichspostens zur Folge hat (Zöller/Steffens, IStR 2019, 286, 287f). Da eine fremdbestimmte ohne aktives Handeln des StPfl erfolgende Entstrickung ohnehin abzulehnen ist, ist die Regelung in der Sache, weniger im Hinblick auf die Regelungstechnik (Verbleibensfiktion im Anschluss an Entnahmefiktion) zu begrüßen.

 

Rn. 132

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Keine Suspendierung für parallele/nachgelagerte schädliche Ereignisse: Liegt parallel einer der weiteren Auflösungsgründe (§ 4g Abs 2 S 2 EStG; § 4g Abs 5 S 2 EStG) vor oder wird ein solcher im Nachgang des Brexit verwirklicht, greifen ohne weitere Erleichterungen (wie in allen anderen nicht fiktiven EU-/EWR-Sachverhalten) die allg geltenden Rechtsfolgen ein, dh bestehende Ausgleichsposten sind gewinnerhöhend aufzulösen. Da die Suspendierungsregel nur Anordnungen für den Umgang mit bereits unter Ausgleichspostenbildung überführten WG trifft, kann bei künftigen Überführungen eines WG in eine UK-Betriebsstätte ein (neuer) Ausgleichsposten nicht mehr gebildet werden.

 

Rn. 133

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Bestandsschutz: Der Austritt erfolgte zwar mit Ablauf des 31.01.2020, in Art 126 des Austrittsabkommens wurde jedoch ein Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020 vereinbart, für den gemäß Art 127 Abs 1 des Austrittsabkommens das Unionsrecht im UK fortgalt und das UK nach Art 127 Abs 6 Austrittsabkommen iVm Art 1 Brexit-Übergangsgesetz (BGBl I 2019, 402) weiterhin als EU-Mitgliedsstaat galt. Für bis einschließlich 2020 noch gebildete Ausgleichsposten gewährt § 4g Abs 6 EStG (vorbehaltlich des Eingreifens anderer Auslösungsgründe nach § 4g Abs 2 S 2, Abs 5 S 2 EStG) damit Bestandsschutz bis zum Ablauf der fünfjährigen Regelauflösungsfrist (s Rn 60; BT-Drucks 19/7277, 19 f; Kubik/Münch, BB 2018, 2986; Bärsch/Spengel/Fischer/Stutzenberger, DB 2019, 1978, 1985), dh längstens bis zum 31.12.2024. Danach läuft die Regelung aus.

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