Rn. 24

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die zweite Voraussetzung für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs 1 S 1 EStG ist, dass der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Die Voraussetzung spaltet sich in zwei Unterpunkte auf:

  • Zum einen müssen zu sichernde Steueransprüche vorhanden sein, damit § 48b Abs 1 S 1 EStG anwendbar ist.
  • Zum anderen darf nicht der Anschein bestehen, dass diese Steueransprüche gefährdet sind.

a) Zu sichernde Steueransprüche

 

Rn. 25

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Obwohl das Gesetz mit der Formulierung "zu sichernder Steueranspruch" den Singular benutzt, ist unstreitig, dass mit dem Steuerabzugsverfahren gemäß § 48 EStG nicht nur ein Steueranspruch, sondern verschiedene Steueransprüche des Staates gegenüber dem Leistenden abgesichert werden sollen. Zwar werden die zu sichernden Steueransprüche in § 48b Abs 1 EStG nicht benannt. Anhaltspunkte können aber aus § 48c Abs 1 S 1 EStG gewonnen werden. Da der Abzugsbetrag auf die dort genannten Steuern angerechnet wird, ist davon auszugehen, dass mit dem Abzugsbetrag die in § 48c Abs 1 S 1 EStG aufgezählten Steueransprüche gesichert werden sollen (ebenso: FG Bln v 19.07.2002, 3 B 4195/02, EFG 2003, 778, aus anderen Gründen aufgehoben: BFH I B 147/02, BStBl II 2003, 716; FG D'dorf v 04.03.2002, 10 V 1007/02 AE (E), EFG 2002, 688; FG Münster v 02.08.2002, 2 V 1006/02 E; FG D'dorf v 22.08.2002, 14 K 1418/02 E, EFG 2002, 1604; FG Ha v 06.03.2003, II 47/03, DStRE 2003, 928; Apitz in H/H/R, § 48b EStG Rz 6 (Juni 2019); Loschelder in Schmidt, § 48b EStG Rz 1 (41. Aufl); Naujok in Lademann, § 48b EStG Rz 46 (November 2017)). Nach der Aufzählung in § 48c Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG handelt es sich um folgende Steueransprüche:

Die Gegenmeinung ist der Auffassung, dass für die zu sichernden Steueransprüche nur das zwischen dem Leistenden und dem FA bestehende Steuerschuldverhältnis maßgeblich ist (ESt oder KSt), so dass insbesondere die vom Leistenden einzubehaltende und anzumeldende LSt nicht erfasst wäre (so Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093; Fuhrmann, KÖSDI 2003, 13 771; Ebling in Brandis/Heuermann, § 48b EStG Rz 19 (Mai 2021)). Die hierfür herangezogene Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4658, 12) ist zu dieser Frage aber nicht aussagekräftig. Außerdem kann die Gegenmeinung nicht den logischen Widerspruch erklären, dass die Bauabzugsteuer zwar nicht die vom Leistenden einzubehaltende und anzumeldende LSt sichern soll, aber dennoch auf diese Entrichtungsschuld vorrangig (!) angerechnet wird (§ 48c Abs 1 S 1 Nr 1 EStG).

 

Rn. 26

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die USt gehört nicht zu den zu sichernden Steueransprüchen (FG Nds v 18.04.2002, 6 V 55/02, EFG 2002, 842; FG Sachsen v 02.07.2002, 6 V 844/02; FG D'dorf v 03.07.2002, 18 V 1183/02 AE (KV), EFG 2003, 99). Dies ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4658, 9).

Dennoch können steuerliche Verfehlungen in Bezug auf die USt ein Indiz für die Gefährdung der zu sichernden Steueransprüche sein (FG D'dorf v 03.07.2002, 18 V 1183/02 AE (KV), EFG 2003, 99; FG Münster v 02.08.2002, 2 V 1006/02 E; FG D'dorf v 22.08.2002, 14 K 1418/02 E, EFG 2002, 1604; FG Ha v 06.03.2003, II 47/03, DStRE 2003, 928; aA Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093).

Die GewSt gehört ebenfalls nicht zu den zu sichernden Steueransprüchen (Fuhrmann, KÖSDI 2003, 13 771).

 

Rn. 27

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Ob zu sichernde Steueransprüche bestehen, ergibt sich aus den Angaben, die der Leistende in dem Fragebogen zu machen hat. Beruft sich der Leistende darauf, dass keine Steueransprüche im Inland bestehen, hat er dies zumindest glaubhaft zu machen. Dann greift § 48b Abs 2 EStG ein. Im Zweifel trägt der Leistende die objektive Beweislast (Feststellungslast), dass keine zu sichernden Steueransprüche bestehen.

 

Rn. 28

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

vorläufig frei

b) Anschein der fehlenden Gefährdung

 

Rn. 29

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die Voraussetzungen für die Erteilung der Freistellungsbescheinigung sind nicht erst dann erfüllt, wenn die zu sichernden Steueransprüche objektiv nicht gefährdet sind, sondern schon dann, wenn sie "nicht gefährdet erscheinen". Daher muss nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die zu sichernden Steueransprüche nicht gefährdet sind (FG D'dorf v 22.08.2002, 14 K 1418/02 E, EFG 2002, 1604; Ebling in Brandis/Heuermann, § 48b EStG Rz 27 (Mai 2021)). Die bewusst offene Formulierung beruht auf dem Umstand, dass Gefährdungsbeurteilungen immer prognostische Elemente beinhalten, die ein Stück weit Unsicherheit in den Subsumtionsvorgang hineintragen. Die Rspr (BFH I B 147/02, BStBl II 2003, 716) prüft nicht positiv, ob die zu sichernden Steueransprüche nicht gefäh...

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