Rn. 84

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Der Antragsteller hat auch einen Anspruch auf inhaltliche Überprüfung der durch das Betriebsstätten-FA erteilten Anrufungsauskunft, BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Tz 15. Nach früherer BFH-Rspr (BFH vom 30.04.2009, VI R 54/09, BStBl II 2010, 996) und überwiegender Auffassung in der Literatur hat das Gericht den Inhalt der erteilten Anrufungsauskunft darauf zu überprüfen, ob die erteilte Auskunft der objektiven Rechtslage entspricht, Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 44 (Mai 2022); Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 29 (Dezember 2020); Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 14 (42. Aufl).

Hingegen ist nach zutreffender neuerer BFH-Rspr die inhaltliche Überprüfung der erteilten Anrufungsauskunft auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Das FG prüft lediglich,

  • ob das Betriebstätten-FA den Sachverhalt richtig erfasst hat,
  • ob die rechtliche Beurteilung in sich schlüssig ist und
  • nicht offensichtlich mit dem Gesetz oder der höchstrichterlichen Rspr, soweit sie von der FinVerw angewandt wird (dh kein Nichtanwendungserlass besteht), nicht in Einklang steht,

BFH vom 27.02.2014, VI R 19/12, BFH/NV 2014, 1370; BFH vom 27.02.2014, VI R 26/12, BFH/NV 2014, 1372; BFH vom 27.02.2014, VI R 23/13, BStBl II 2014, 894; BFH vom 05.06.2014, VI R 90/13, BStBl II 2015, 48; FG He vom 22.02.2018, 4 K 1408/17; FG BBg vom 20.09.2018,4 K 4277/15, EFG 2018, 1996; BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Tz 15, 17.

Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab führt zwar dazu, dass im Falle einer für den Antragsteller negativen Auskunft neue und noch nicht gerichtlich geklärte Rechtsfragen nicht im Klagewege gegen die Anrufungsauskunft geklärt werden können (vgl Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 29 (Dezember 2020)). Das Verfahren der LSt-Anrufungsauskunft dient jedoch vornehmlich der Vermeidung des Haftungsrisikos des ArbG, soweit dieser den Inhalt der ihm erteilten Auskunft der einzureichenden LSt-Anmeldung zugrunde legt.

Aufgabe des Anrufungsverfahrens ist es jedoch nicht, ungeklärte Rechtsfragen abschließend zu beantworten oder die Übereinstimmung von Verwaltungsanweisungen mit dem Gesetz zu überprüfen, BFH vom 27.04.2014, VI R 23/13, BStBl II 2014, 894. Zudem entspricht es dem Wesen einer Auskunft, dass sie die Rechtsauffassung der sie erteilenden Stelle beinhaltet.

Eine vollumfängliche inhaltliche Überprüfung der vom Betriebsstätten-FA in der Anrufungsauskunft geäußerten Rechtsauffassung im finanzgerichtlichen Verfahren hätte jedoch zur Folge, dass das Betriebsstätten-FA dazu verpflichtet würde, in diesem Stadium des Steuererhebungsverfahrens eine Auffassung zu vertreten, die nicht seiner Rechtsauffassung entspricht, vgl BFH vom 27.04.2014, VI R 23/13, BStBl II 2014, 894. Zudem entspricht die neuere BFH-Rspr zur eingeschränkten inhaltlichen Kontrolle einer LSt-Anrufungsauskunft der Rspr des BFH zur eingeschränkten inhaltlichen Kontrolle einer Auskunft nach § 89 Abs 2 AO, vgl dazu BFH vom 29.02.2012, IX R 11/11, BStBl II 2012, 651.

 

Rn. 85

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Mit dem Abschluss des LSt-Abzugsverfahrens erledigt sich der gegen eine LSt-Anrufungsauskunft eingelegte Rechtsbehelf, BFH vom 28.05.1979, VI R 21/77, BStBl II 1979, 659. Der ArbG kann nachfolgend zur Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs 1 S 4 FGO) übergehen und die Feststellung begehren, dass die erteilte Auskunft rechtswidrig gewesen ist, falls ein Feststellungsinteresse besteht. Dieses soll nach BFH vom 28.05.1979, VI R 21/77, BStBl II 1979, 650 dann zu bejahen sein, wenn zu erwarten ist, dass sich die Beteiligten in einem anschließenden (Haftungs-)Verfahren der Auffassung des Gerichts anschließen werden.

 

Rn. 86

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Der Rechtsbehelf des ArbN gegen die Anrufungsauskunft erledigt sich auch mit dem Ergehen eines ESt-Bescheids, da die Anrufungsauskunft keine Bindungswirkung im Verfahren der ESt-Festsetzung entfaltet. Deshalb kann der ArbN mangels Feststellungsinteresses auch nicht zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen, Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 45 (Mai 2022). § 68 FGO ist nicht einschlägig, die Anrufungsauskunft als feststellender VA wird weder durch einen nachfolgenden Haftungsbescheid gegen den ArbG noch durch einen ESt-Bescheid gegen den ArbN ersetzt, Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 45 (Mai 2022).

 

Rn. 87

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Wird die erteilte Anrufungsauskunft durch das Betriebsstätten-FA aufgehoben, kann nach erfolglosem Einspruchsverfahren Anfechtungsklage erhoben werden, BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996; BFH vom 02.09.2010, VI R 3/09, BStBl II 2011, 233; BFH vom 02.09.2021, VI R 19/19, BStBl II 2022, 136.

 

Rn. 88

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Wendet sich der Antragsteller gegen den Inhalt der erteilten Anrufungsauskunft, ist Aussetzung der Vollziehung (AdV) nicht möglich, da die erteilte Anrufungsauskunft als feststellender VA keine rechtsgestaltende Wirkung hat, BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Tz 4; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 44 (Mai...

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