Rn. 1657c

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Bemessungsgrundlage für die nicht abzugsfähigen betrieblichen Schuldzinsen ist gemäß § 4 Abs 4a S 3 EStG die Überentnahme des Wj zuzüglich bzw abzüglich der Über- bzw Unterentnahmen vorangegangener Wj. Theoretisch ist daher erstmals für den Beginn des in 1999 endenden Wj (§ 52 Abs 11 EStG) zu ermitteln, ob seit Bestehen des Unternehmens insgesamt eine Über- oder Unterentnahme gegeben ist (strittig, s Rn 1656). Da im Normalfall der Saldo aller Einlagen, Entnahmen und Jahresergebnisse der Vorjahre dem Buchkapital der jeweiligen steuerlichen Eröffnungsbilanz (EK) entspricht, kann somit das steuerliche EK als Basis herangezogen werden, um zu ermitteln, ob eine Berechnungsgrundlage für nicht abziehbare Schuldzinsen gegeben ist. Korn/Strahl (KÖSDI 1/2000, 12 281) vertreten die Auffassung, dass dem Buchkapital in der Eröffnungsbilanz die Jahresfehlbeträge hinzuzurechnen sind, die in der Vergangenheit das Buchkapital gemindert haben, weil die gesetzliche Regelung die Saldierung der Verluste mit Gewinnen und Einlagen nicht vorsieht. Daraus folgern sie weiter, dass auch laufende Verluste nicht zur Einschränkung des Schuldzinsenabzugs führen (glA Paus, FR 2000, 957; Ley, NWB F 3, 11 167).

Diese Auffassung ist jedoch dann zweifelhaft, wenn man von dem Gewinnbegriff des § 4 Abs 1 S 1 EStG, der auch eine "negative" Größe, dh den Verlust umfasst (s Rn 1), ausgeht. Der Gesetzeswortlaut beinhaltet die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wj, so dass zumindest bei mathematischer Betrachtungsweise das negative Ergebnis mit den Einlagen zu verrechnen ist (glA Jakob, DStR 2000, 101, der in seinem Bsp 1 einen negativen Gewinn mit den Einlagen saldiert). Geht man davon aus, dass die gesetzliche Regelung der von der Rspr bestätigten Finanzierungsfreiheit des Unternehmens iRd vorhandenen Kapitals Rechnung tragen will, müssten auch die Verluste berücksichtigt werden (glA BFH BStBl II 2018, 744; BFH/NV 2012, 1418; BMF BStBl 2018, 1207 Tz 8).

Da die Ermittlung der Überentnahmen und damit auch die Gewinn-/Verlustermittlung auf Buchwerten beruht, ergibt sich das Problem, dass die Bildung stiller Reserven, zB durch Sonderabschreibungen, durch eine Einschränkung des Abzugs der betrieblichen Schuldzinsen "bestraft" wird. Besonders im Fall der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen ist es durchaus möglich, Buchverluste zu finanzieren. Ist in diesem Fall kein positiver Buchkapitalvortrag gegeben oder übersteigt der Buchverlust das Anfangskapital, so führt jede Nettoentnahme, auch die Entnahme eines angemessenen Unternehmerlohns, zur Einschränkung des Schuldzinsenabzugs.

Da jedoch aus der negativen Summe des Verlustes und der Einlagen eines Wj eine Entnahme weder entsteht noch fingiert werden kann, kann ein Verlust bzw ein die Einlagen übersteigender Verlust nicht zu einer Einschränkung des Schuldzinsenabzugs führen (BFH BStBl II 2018, 744; BMF BStBl I 2005, 1019 Tz 11). Daraus folgt, dass ein negatives Buchkapital zu Beginn des in 1999 endenden Wj nur dann als Überentnahme zu berücksichtigen ist, soweit es durch Entnahmen und nicht durch Verluste in den Vorjahren entstanden ist. Dabei sind jedoch, folgt man der gesetzlichen Definition der Überentnahme in § 4 Abs 4a S 2 EStG, in vorangegangenen Verlustjahren Einlagen zunächst mit Verlusten zu verrechnen. Wurden im Wj nur Unterentnahmen getätigt, so kann gleichwohl eine Überentnahme iSv § 4 Abs 4 a S 1 EStG vorliegen, wenn entsprechende Überentnahmen aus Vorjahren bestehen (FG RP EFG 2003, 831; BFH BStBl II 2010, 1041).

Der Anfangsbetrag der Unter- bzw Überentnahme muss grds aus den Entnahmen, Einlagen sowie Gewinnen und Verlusten seit Bestehen des Betriebes ermittelt werden. Dies dürfte jedoch bei vielen Betrieben aufgrund der Dauer ihres Bestehens und unter Berücksichtigung der gesetzlich begrenzten Aufbewahrungspflichten nicht möglich sein und kann deswegen auch nicht gefordert werden.

Nachdem Unterentnahmen aus der Zeit vor 01.01.1999 iRd Berechnung nach § 4 Abs 4a S 3 EStG in VZ 1999 und VZ 2000 berücksichtigt werden, stellt sich die Frage, wie diese im Einzelnen zu ermitteln sind. Grundsätzlich ist zur Ermittlung der am Ende des vor dem 01.01.1999 endenden Wj bestehenden Unterentnahmen eine Rückschau bis zur Betriebseröffnung erforderlich. Der Anfangsbestand des Kapitalkontos lt Eröffnungsbilanz ist dabei wie eine Einlage zu berücksichtigen (BMF vom 12.06.2006, BStBl I 2006, 416). Der BMF ist der Ansicht, dass der StPfl hinsichtlich dieser Ermittlung nachweispflichtig ist. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass über die für Buchführungsunterlagen vorgeschriebenen Aufbewahrungszeiten hinaus diese Nachweispflicht mE nicht besteht. Hier ist im Einzelfall ggf im Schätzungswege zu entscheiden.

Aus Vereinfachungsgründen kann jedoch die Ermittlung des Unterentnahmepotenzials auch durch Rückgriff auf den positiven Wert des Kapitalkontos am Ende des vor dem 01.01.1999 endenden Wj erfolgen (BMF vom 12.06.2006, BStBl I 2006, 416); Wendt, EStB 2002, 278; FR 2006, 287...

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