Rn. 1474

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

§ 5 Abs 7 EStG und § 4f EStG sind weitgehend komplementäre Regelungen. Während § 4f EStG beim Übertragenden unter Verstoß gegen das Realisationsprinzip die sofortige aufwandswirksame Hebung stiller Lasten verhindert und zu einer im Regelfall 15-jährigen Aufwandsstreckung führt, verhindert § 5 Abs 7 EStG einen erfolgsneutralen Anschaffungsvorgang und zwingt den Übernehmenden zur Abbildung der Verpflichtung nach Maßgabe der steuerlichen Beschränkungen, die beim Übertragenden ohne Übertragung (abstrakt) gegolten hätten. Der systemwidrig, hier aber zwangsläufig entstehende Ertrag kann (Wahlrecht) seinerseits über 15 Jahre gestreckt werden.

Die FinVerw verknüpft § 4f EStG und § 5 Abs 7 EStG insoweit, dass die Aufwandsverteilung nach § 4f EStG unter den Vorbehalt der (abstrakten) Anwendbarkeit des § 5 Abs 7 EStG beim Übernehmer gestellt wird (BMF v 30.11.2017, BStBl I 2017, 1619 Rz 3; s § 4f Rn 48 (Briesemeister)). Die Anwendung des § 5 Abs 7 EStG setzt dem Wortlaut nach nicht voraus, dass beim Übertragenden § 4f EStG zur Anwendung gekommen sein muss (keine Anwendungskorrespondenz). Eine verfahrensmäßige Verknüpfung zwischen § 5 Abs 7 EStG und § 4f EStG besteht nicht (Benz/Placke, DStR 2013 2658; Grützner, StuB 2015, 20; Tiedchen in H/H/R, § 5 EStG Rz 2400 (Januar 2019). Auch bei paralleler Anwendung besteht eine erhebliche profiskalische Asynchronität der Besteuerungsfolgen. Die Aufwandsverteilung beim Übertragenden ist zwingend, während die Ertragsverteilung beim Übernehmenden wahlweise erfolgt. Eine Verkürzung der Aufwandsverteilung wegen Wegfall der Verpflichtung vor Ablauf des 15-jährigen Verteilungszeitraums nach § 5 Abs 7 S 6 EStG (s Rn 1493) findet keine Entsprechung in einer Verkürzung der Verteilung nach 4f EStG; die Ertragsverteilung ist an den weiteren Fortgang der Verpflichtung gebunden, während die Aufwandsverteilung (s § 4f Rn 60 (Briesemeister)) hiervon entkoppelt ist (keine Verteilungskorrespondenz).

 

Beispiel:

Die T AG weist handelsbilanziell eine Rückstellung für drohende Verluste aus einer Stillhalterposition in einer Kaufoption über Aktien (schwebendes Geschäft) mit einer Restlaufzeit von 2,5 Jahren gemäß § 249 Abs 1 S 1 HGB iHv 75 000 EUR aus (neben einer sonstigen Verbindlichkeit iHd vereinnahmten Optionsprämie). Die Drohverlustrückstellung tritt steuerbilanziell wegen § 5 Abs 4a EStG nicht in Erscheinung (auszuweisen ist lediglich die (Stillhalter-)Verpflichtung iHd vereinnahmten Prämie, BMF v 12.01.2004, IV A 6-S 2133–17/03, BStBl I 2004, 192).

Die M AG übernimmt die Verpflichtung aus dem Optionsgeschäft gegen Entgelt iHv 75 000 EUR (zzgl anteiliger Stillhalterprämie). Der Drohverlust realisiert sich bei der M AG nach Ablauf der Restlaufzeit des Optionsgeschäfts.

 
Wj

Aufwandsverteilung beim Übertragenden, § 4f EStG

(steuerliche Entlastung)

Ertragsverteilung beim Übernehmenden, § 5 Abs 7 EStG,

(steuerliche Belastung)
01 (Übertragung) 5 TEUR 5 TEUR (erfolgsneutrale Rücklage 70 TEUR)
02 5 TEUR 5 TEUR (Auflösung Rücklage 1/14)
03 (Erfüllung Stillhalterverpflichtung) 5 TEUR 65 TEUR (vollständige Auflösung Rücklage, da Wegfall der Verpflichtung)
04 5 TEUR Aufwandsverteilung trotz a priori feststehenden Wegfalls der Verpflichtung im Jahr 03 über den gesamten 15-jährigen (Regel-)Verteilungszeitraum -
06 5 TEUR -
07 5 TEUR -
08 5 TEUR -
09 5 TEUR -
10 5 TEUR -
11 5 TEUR -
12 5 TEUR -
13 5 TEUR -
14 5 TEUR -
15 5 TEUR -
Summe 75 TEUR 75 TEUR

Die §§ 4f, 5 Abs 7 EStG wirken Übertragungen solchermaßen strukturierter Verpflichtungen prohibitiv entgegen und sind in ihrem Zusammenspiel hier deutlich überschießend.

Darüber hinaus finden die Ausnahmen der Aufwandsverteilung beim Übertragenden nach § 4f Abs 1 S 1–3 EStG (s § 4f Rn 71ff (Briesemeister)) keine Entsprechung in § 5 Abs 7 EStG, sondern führen beim Übernehmenden zum Erwerbsgewinn (keine Ausnahmenkorrespondenz). Lediglich für den Fall der Übernahme von Pensionsverpflichtungen bei ArbG-Wechsel bewirkt § 5 Abs 7 S 4 EStG eine (partielle) Entlastung des neuen ArbG (s Rn 1486).

Darüber hinaus resultieren ggf erhebliche Abweichungen in der Entlastungswirkung beim Übertragenden und der Belastungswirkung beim Übernehmenden aufgrund unterschiedlicher anzuwendender Steuersätze (ESt/KSt, abweichende GewSt-Hebesätze). In Einzelfällen ergibt sich ein Vorteil, wenn die Steuerbelastung des Erwerbers die des Übertragenden unterschreitet und eine vorzeitige Vollbesteuerung des Erwerbers wegen vorzeitigen Wegfalls der Verpflichtung (s Rn 1493) ausgeschlossen ist (vgl Bünning, BB 2019, 2669). Ggf bietet sich eine Tarifarbitrage zur Steueroptimierung an: durch Übertragung von Verpflichtungen Erzeugung verteilungspflichtigen Aufwands beim Übertragenden mit dem höheren Tarif und verteilungsfähigen Erwerbsgewinns beim Übernehmenden mit dem niedrigeren Tarif ggf nach Sitzbegründung oder -verlegung des Übernehmenden in eine GewSt-Oase mit einem Hebesatz von (geringfügig über) 200 % (Lüdenbach/Hoffmann, GmbHR 2014, 127). Zu Folgen mangelnder Kor...

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