Rn. 190

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Maßgeblich für den Kindbegriff des § 32 Abs 1 S 1 EStG sind die Vorschriften des BGB über die Verwandtschaft, §§ 15891771 BGB. Insoweit gilt für den Zeitraum seit dem 01.07.1998 das KindschaftsreformG v 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2942), das die statusrechtlichen Differenzierungen zwischen nichtehelichen und ehelichen Kindern weitgehend aufgehoben hat.

Nach § 2 Abs 8 EStG sind die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden, BFH v 08.08.2013, VI R 76/12, BStBl II 2014, 36.

 

Rn. 191

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Da sich der Grad der Verwandtschaft nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten richtet (§ 1589 S 2 BGB), sind Eltern und Kinder im ersten Grad verwandt, § 1589 S 3 BGB. Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat, § 1591 BGB. Vater eines Kindes ist nach § 1592 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gemäß § 1600d BGB gerichtlich festgestellt worden ist. Es kommt auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der Ehe an, vgl BFH v 19.04.2007, III R 85/03, BFH/NV 2007, 1855 zur Kindergeldberechtigung.

Das Kindschaftsverhältnis endet nicht durch die Eheschließung des Kindes; mit der Heirat tritt jedoch typischerweise ein Wechsel der Unterhaltspflicht ein, vgl BFH v 02.03.2000, VI R 13/99, BStBl II 2000, 522.

Wirkt der vermeintlich Kindergeldberechtigte nicht bei einem von der Ausländerbehörde zur Feststellung seiner Vaterschaft im ausländerrechtlichen Verfahren angeordneten DNA-Test mit, liegt darin nach FG Münster v 08.11.2007, 12 K 4311/06 Kg, EFG 2008, 764 zugleich eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im kindergeldrechtlichen Verfahren, die als Beweisvereitelung zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht des FG führt. Vgl auch FG Mchn v 04.02.2014, 9 K 1932/14, EFG 2015, 442 zur Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und Minderung des Beweismaßes des Gerichts bei Auslandssachverhalt.

 

Rn. 192

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

§ 32 Abs 1 S 1 EStG unterscheidet nicht zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern.

Stiefkinder und Enkelkinder, die im zweiten Grad verwandt sind (vgl § 1589 BGB), werden hingegen nicht berücksichtigt, BFH v 09.02.2012, III R 73/09, BStBl II 2012, 463.

Der Vater eines Kindes, hat nur dann Anspruch auf den Kinderfreibetrag, wenn er seine Vaterschaft und die Existenz des Kindes durch amtliche Dokumente nachweist, FG Mchn v 30.09.1997, 16 K 2031/97, EFG 1998, 371. Nach erfolgter Scheidung und Wiederverheiratung der Mutter setzt der Anspruch auf den Kinderfreibetrag die Feststellung der Vaterschaft durch das Jugendamt gemäß § 1599 BGB voraus, OFD Bln v 30.09.1997, FR 1999, 1333.

 

Rn. 193

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Wird die Ehelichkeit eines Kindes erfolgreich angefochten, hat dies eine steuerliche Rückwirkung iSd § 175 Abs 1 Nr 2 AO zur Folge, BFH BStBl II 2008, 350. Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft wirkt ebenso wie die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft zivilrechtlich auf den Zeitpunkt der Geburt zurück, BFH v 28.07.2005, III R 68/04, BStBl II 2008, 350.

Dies führt für den sog "Scheinvater", der für ein fremdes Kind Unterhalt geleistet, dessen Vaterschaft später erfolgreich angefochten wurde, zum rückwirkenden Verlust der kindbedingten Steuerermäßigungen. Auch wenn der sog Scheinvater seinen Ersatzanspruch wegen der Unterhaltsleistungen gegen den leiblichen Vater des Kindes nicht zu realisieren vermag, ist nach BFH v 14.06.2005, IX B 192/03, BFH/NV 2005, 1490 nicht zwingend ein Billigkeitserlass geboten, zustimmend Selder in Blümich, § 32 EStG Rz 14 (Februar 2019).

Dies erscheint jedenfalls dann nicht überzeugend, wenn der Scheinvater zunächst Unterhalt geleistet hat (FG Nds v 19.08.2003, 13 K 323/02, EFG 2004, 164), da Ersatzansprüche, selbst wenn sie realisiert werden können, nicht zurückwirken, sondern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Scheinvaters erst in einem späteren VZ erhöhen, vgl Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 10 (40. Aufl): Anspruch auf abweichende Festsetzung bzw Erlass.

 

Rn. 194

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Zwischen einem Kind und der Partnerin der Kindesmutter, die mit dieser in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebt, besteht kein Verwandtschaftsverhältnis ersten Grades, BFH v 20.04.2004, VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103.

 

Rn. 195

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Bei der Annahme eines minderjährigen Kindes wird ein Verwandtschaftsverhältnis zu der annehmenden Person bzw zu den Eltern begründet, die das Kind angenommen haben (§ 1754 Abs 1 und 2 BGB). Das setzt die Zustellung des Beschlusses des Familiengerichts an die annehmende Person bzw annehmenden Personen voraus (§ 179 Abs 2 FamFG; H 32.1 EStH 2020 "Annahme als Kind"; A 10.2 Abs 1 S 1, 2 DA-KG 2020).

Mit der Annahme eines minderjährigen Kindes erlischt das bisherige Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den vormaligen Verwandten, § 1775 BGB (H 32.1 EStH...

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