Rn. 150

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Grundsätzlich sind die Beweggründe für ein Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäft durchweg unbeachtlich (st Rspr, zB BFH vom 08.03.1967, BStBl III 1967, 317; BFH vom 21.03.1969, BStBl II 1969, 520; BFH vom 07.12.1967, BStBl II 1977, 209). Die Handlung muss aber wesentlich vom Willen des StPfl bestimmt sein (BFH vom 05.05.1961, BStBl III 1961, 385). Daran fehlt es bei einem Vermögensübergang kraft Gesetzes bspw wegen eines behördlichen Zwangsaktes (zB Enteignung nach §§ 85ff BauGB bzw Umlegung nach § 45 BauGB). In diesem Fällen liegt damit keine Veräußerung iSd § 23 EStG vor (BFH vom 23.07.2019, BStBl II 2019, 701). Sofern ein Ersatz-WG zugewiesen wird, stellt dies ebenso keine Anschaffung iSd § 23 EStG dar (BFH vom 13.04.2010, BStBl II 2010, 792).

Der Erwerb von Ersatzland ist vielmehr immer dann, wenn aufgrund gesetzlicher Bestimmungen durch hoheitlichen Akt einem StPfl Grundbesitz entzogen wird, für § 23 EStG so anzusehen, als sei das zugewiesene Ersatzland lediglich an die Stelle des alten Besitzes getreten, so dass weiterhin Anschaffungszeitpunkt und AK dieses Besitzes relevant bleiben (Surrogationsgedanke). Der Surrogationsgedanke ist jedoch nicht auf den Fall anzuwenden, dass der Eigentümer nach Wegfall des Enteignungsgrundes das WG zurückerwirbt.

Keinen solchen Zwangsakt stellt dagegen die Zwangsversteigerung dar. In diesem Fall hat der Schuldner die Möglichkeit, durch Befriedigung der Gläubiger die Zwangsversteigerung abzuwenden, so dass es sich letztendlich um eine willentliche Entscheidung des StPfl handelt und somit eine Veräußerung iSd § 23 Abs 1 Nr 1 EStG vorliegt (vgl FG D'dorf vom 26.11.2020, DStRE 2021, 592 rkr).

 

Rn. 151

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Wird im Rahmen eines Umlegungsverfahrens einem Grundstückseigentümer ein Grundstück gegen Zuzahlung eines Geldbetrages zugeteilt, liegt ein Anschaffungsgeschäft nur insoweit vor, als die Zuzahlung für eine den Sollanspruch (§ 56 Abs 1 S 1 BauGB) nicht unwesentlich übersteigende Mehrzuteilung zu leisten ist (BFH vom 29.03.1995, X R 3/92, BFHE 177, 418).

Die wirtschaftliche Identität von eingebrachtem Grundstück und Ersatzgrundstück wird in dem Umfang aufgehoben, in dem die Umlegungsbeteiligten bei der Verteilung der Umlegungsmasse den Sollanspruch übersteigende Mehrzuteilungen erhalten und durch den Geldausgleich nicht lediglich Umlegungsvorteile ausgeglichen werden. Lässt sich ein Umlegungsbeteiligter daher auf einen seinen Sollanspruch wesentlich übersteigenden Grundstückserwerb ein, hat dieser Erwerb den Charakter eines freiwilligen entgeltlichen Anschaffungsgeschäfts.

 

Rn. 152

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Dagegen liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft grundsätzlich auch dann vor, wenn die Veräußerung innerhalb der gesetzlichen Frist unter Zwang erfolgt, zB bei drohender Enteignung, Erkrankung, Versetzung, Versteigerung, Pfandveräußerung (vgl BFH vom 16.01.1973, BStBl II 1973, 445 mwN). Allerdings ist eine Veräußerung unter diesen Voraussetzungen für Zwecke des § 23 EStG unbeachtlich, wenn in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang ein Ersatz-WG angeschafft wird (st Rspr, zB BFH vom 19.06.1962, BStBl III 1962, 387; BFH vom 16.01.1973, BStBl II 1973, 445).

Eine solche Zusammenfassung von zwangsweise veräußertem WG und Ersatz-WG schließt zum einen ein privates Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des Ersteren auch bei Anschaffung innerhalb von zehn Jahren vor der zwangsweisen Veräußerung aus, zum anderen kommt das Ersatz-WG seinerseits als Objekt eines privaten Veräußerungsgeschäfts nur in Betracht, soweit die Behaltefrist für das zwangsveräußerte WG noch nicht abgelaufen ist. In diesem Fall wird folgerichtig wirtschaftliche Identität zwischen dem ursprünglichen WG und dem Ersatz-WG angenommen (BFH vom 15.01.1974, BStBl II 1974, 606).

Die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts entfällt nach BFH vom 16.01.1973, BStBl II 1973, 445, wenn Veräußerung und Anlage des Veräußerungserlöses das "Bild einer Einheit im Wesen einer der freien Entschließung des StPfl entzogenen Auswechslung von WG", ohne wesentliche Besser- oder Schlechterstellung ergeben. Sinngemäß gelten insoweit die für die Rücklage für Ersatzbeschaffung entwickelten Rspr-Grundsätze in R 6.6 EStR 2012, die den Erwerb eines art-, wert- und funktionsähnlichen Ersatz-WG verlangen. Kommt es dann zur Veräußerung des Ersatzgrundstücks, ist die dafür maßgebende Behaltefrist ab dem Anschaffungszeitpunkt des entzogenen Grundstücks zu berechnen (vgl auch BFH vom 15.01.1974, BStBl II 1974, 606).

Nach BFH vom 23.07.2019, BStBl II 2019, 701 ist eine Grundstücksenteignung kein privates Veräußerungsgeschäft iSd § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG. Der BFH aaO führte aus, dass eine Anschaffung bzw Veräußerung iSd § 23 EStG nicht vorliegt, wenn der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des StPfl stattfindet. Ein Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem BodensonderungsG ist danach keine Veräußerung iSd § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG. Dagegen stellt die...

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