A. Der Einkommensbegriff

1. Die Formel des EStG

 

Rn. 11

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Der Begriff des Einkommenswird gern als ein "ursprünglich ökonomischer Begriff" bezeichnet. Doch hat ihn das Steuerrecht seit langem integriert und zu einem Rechtsbegriff gemacht (glA Lindberg in Frotscher/Geurts, § 2 EStG Rz 31, Stand 13.03.2019). Er findet sich auch in verschiedenen Gesetzen (Einzelheiten bei Brandis, Geldstrafe und Nettoeinkommen, Dissertation Köln 1987, 36 ff; FR 1986, 60), zB in § 82 SGB XII. Eine Einheitlichkeit der Begriffsbildung ist jedoch nicht erreicht.

 

Rn. 12

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Das EStG umschreibt das Einkommen, um das Problem praktisch zu handhaben. Es hat sich bewusst "keiner der zahlreichen Lehrmeinungen über den privatwirtschaftlichen Einkommensbegriff angeschlossen" (Begründung zum EStG 1934, RStBl 1935, 34).

 

Rn. 13

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Der Einkommensbegriff des EStG lässt sich aus den Abs 1, 3 und 4 des § 2 EStG entwickeln. Das Einkommen ist danach:

 
  Die Summe der Einkünfte aus LuF, Gewerbebetrieb, selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit, KapVerm, VuV und sonstigen Einkünften (§ 2 Abs 2, 3 S 2ff EStG)
./. Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG), Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG), Abzugsbetrag nach § 13 Abs 3 EStG (Letzterer betreffend LuF) (§ 2 Abs 3 EStG)
./. Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§ 2 Abs 4 EStG)
= Einkommen

2. Orientierung an der Begriffsfunktion

a) Allgemeines

 

Rn. 14

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Das Einkommen bezeichnet im EStG den Gegenstand und Grund der Besteuerung. Orientiert man sich an diesen Funktionen des Einkommensbegriffs, so ergeben sich wichtige, nachfolgende Begriffsmerkmale (s auch die Erläuterung des Einkommensbegriffs durch Beschreibung von vier Strukturelementen):

  • Einnahmen,
  • Ausgaben,
  • Saldierung,
  • Rechnungsperiode.

b) Vermögensrelevanter Tatbestand

 

Rn. 15

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Das Einkommen wird vom Gesetz als ein Tatbestand angesehen, der die Leistungsfähigkeit des StPfl steigert. Das Erzielen von Einkommen ist ein vermögensrelevanter, in Geld ausdrückbarer Vorgang. Dieser Vorgang kann

  • einmalig oder wiederkehrend sein.
  • sich aus der Berufstätigkeit des StPfl (Bsp: Arbeitslohn, § 19 EStG) oder dem außerberuflichen Bereich ergeben (Bsp: privates Veräußerungsgeschäft, § 23 EStG).
  • sich in Form einer zivilrechtlichen Übertragung (Übereignung, §§ 929ff BGB) oder ausschließlich aus dem nach steuerlichen Grundsätzen geordneten Rechnungswesen ergeben (Bsp: Entnahme zum Teilwert, § 6 Abs 1 Nr 4 EStG).

Nicht-Geldleistungen müssen sich jedoch in Geld umrechnen lassen, um zum Einkommen zu gehören. Ob das Einkommen durch legale oder illegale Tätigkeit erzielt wird, spielt dabei keine Rolle (§ 40 AO, Wertneutralität der Besteuerung, s Drüen in Tipke/Kruse, § 40 AO Rz 1; Lindberg in Frotscher/Geurts, § 2 EStG Rz 49 f, Stand 13.03.2019).

c) Das Nettoprinzip

ca) Verfassungsrecht

 

Rn. 16

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Im Bereich des ESt-Rechts wird die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft, insbesondere begrenzt durch (BVerfG, 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310, st Rspr; s auch Lindberg in Frotscher/Geurts, § 2 EStG Rz 9, Stand 13.03.2019):

  • das Gebot der Folgerichtigkeit (dh bei der Ausgestaltung eines steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal vom Gesetzgeber getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig iS einer Belastungsgleichheit umgesetzt werden, Ausnahmen davon bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, etwa außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke; zB auch, dass endgültige Ford-Verluste im PV als Verlust anzuerkennen ist, wenn auch der Gewinn zu versteuern ist, BFH BStBl II 2020, 831 und s Rn 59) und
  • das Leistungsfähigkeitsprinzip, dh das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit.

Im Interesse einer steuerrechtlichen Lastengleichheit ergeben sich dazu zwei Komponenten (BVerfG 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310, st Rspr; s auch Lindberg in Frotscher/Geurts, § 2 EStG Rz 9, Stand 13.03.2019):

  • horizontale Steuergerechtigkeit (dh, StPfl werden bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert)
  • vertikale Steuergerechtigkeit (dh, die Besteuerung höherer Einkommen muss im Vergleich mit der Belastung niedrigerer Einkommen angemessen sein).

Diese finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst sich nach dem Nettoprinzip (BVerfGE 122, 210 Rz 62; BVerfG BGBl I 2010, 1157 Rz 39; BFH X R 10/10, BFH/NV 2011, 977; Kirchhof, BB 2017, 662; Lindberg in Frotscher/Geurts, § 2 EStG Rz 10, Stand 13.03.2019).

Dabei wird unterschieden zwischen

 
objektivem Nettoprinzip subjektivem Nettoprinzip
dh, von Erwerbseinnahmen sind die betrieblichen/beruflichen Erwerbsaufwendungen (= BA) abzuziehen dh, auch die privaten existenzsichernden Aufwendungen (Sonderausgaben, Familienleistungsausgleich, außergewöhnliche Belastungen) sind abzuziehen
dazu s Rn 16a16g dazu s Rn 33, 307, 329

cb) Das objektive Nettoprinzip

 

Rn. 16a

Stand: EL 159 – ET: 08/2022

Der Vorgang, der dem StPfl Einkommen verschafft, kann positiv oder negativ auf sein Vermögen wirken. Nur eine Gesamtbetrachtung aller aus demselben Vorgang herrührenden Vor- und Na...

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