Rn. 83

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Der Begriff der wissenschaftlichen Tätigkeit bzw der "Wissenschaftlichkeit" iSd § 18 Abs 1 Nr 1 EStG ist ein steuerrechtlicher Begriff (BFH BStBl III 1952, 165; BStBl II 2009, 238; 2017, 908; BFH/NV 1994, 89; 1995, 2109; Schick, Die freien Berufe 1973, 20). Hiernach besteht die wissenschaftliche Tätigkeit darin, eine schwierige Aufgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen, dh nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten zu lösen zu versuchen (vgl BFH BStBl II 1992, 826; 2009, 238; 2017, 908).

Unterschieden wird zwischen

  • der reinen Wissenschaft als der schöpferischen bzw forschenden Tätigkeit, insb der Grundlagenforschung, und
  • der angewandten Wissenschaft als der untersuchenden Anwendung der Ergebnisse der Ersteren auf konkrete Vorgänge/Fragestellungen.

Da auch die reine Wissenschaft konkrete Fragestellungen betrifft, bezieht sich der Begriff der angewandten Wissenschaft mE auf die Lösung von praktischen Fragen des täglichen Lebens (vgl BFH BStBl II 1976, 464; 1992, 826; 2001, 241; BFH/NV 1986, 250; 1993, 360; 1994, 89; 2011, 255). Stets aber – so der BFH – müssen grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden (BFH BStBl II 1971, 749; 1989, 212; 1993, 23; 2001, 241; 2017, 908; BFH/NV 2000, 1460). Die Objektivität der Untersuchung muss gesichert, dh von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar sein (BFH BStBl II 1989, 965; BFH/NV 1993, 235; 1993, 360).

Hiervon zu unterscheiden und keine Wissenschaft ist die bloße Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze auf konkrete Sachverhalte (vgl BFH BStBl II 1985, 655; 1994, 864; BFH/NV 1989, 212; 1993, 360; 1995, 210). Das gilt auch für die praktische Ausübung eines an sich als wissenschaftlich zu kennzeichnenden Berufs, selbst wenn es sich im Einzelfall um hochqualifizierte Tätigkeiten handelt, sowie für die bloße Vermittlung wissenschaftlicher Grundsätze und Methoden im Rahmen einer praxisorientierten Beratung (BFH BStBl II 2009, 238).

Umso weniger Wissenschaft sind "Forschungs-"Gegenstände, die mangels empirischer Grundlagen weder objektivierbar noch nach ihrer Methodik nachprüfbar sind, wie zB die Parapsychologie (vgl zur Hellseherei BFH BStBl II 1976, 464; FG D'dorf EFG 2005, 824 rkr) oder Astrologie (FG D'dorf EFG 1967, 522 rkr).

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