Rn. 2628

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Mit der Ausschlagung erklärt der Erbe gegenüber dem Nachlassgericht (Form: § 1945 Abs 1 BGB), dass er das Erbe nicht annimmt. Als Folge der Ausschlagung gilt der Erbanfall an den Ausschlagenden von Anfang an (ex tunc) als nicht erfolgt, § 1953 Abs 1 BGB, die Ausschlagung hat also rückwirkende Wirkung.

Anstelle des Ausschlagenden werden die Personen Erben, die aufgrund Testament, Erbvertrag oder Gesetz Erben geworden wären, hätte der ursprünglich berufene Erbe im Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt (Fiktion, § 1953 Abs 2 BGB). Der Ausschlagende hat bis zur Ausschlagung zivilrechtlich die Stellung eines Geschäftsführers ohne Auftrag (§ 1959 BGB iVm § 677 BGB).

 

Rn. 2629

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Der Ausschlagende begibt sich mit der Ausschlagung jedoch nicht aller Vermögensansprüche. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bestehen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche oder güterrechtliche Ansprüche gegen den Nachlass fort.

 

Rn. 2630

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Mit der Ausschlagung kann vor allem ein Erbschaftserwerb vermieden werden, der sich zB aufgrund der Überschuldung des Nachlasses als nachteilig darstellt (Schutzwirkung der Ausschlagung). Außerdem kann bei entsprechender Erbfolge gezielt ein unmittelbarer Vermögensübergang auf die dann berufenen Erben herbeigeführt werden, zB, wenn anstelle des ursprünglichen Erben dessen Abkömmlinge berufen sind (Lenkungswirkung der Ausschlagung). Allerdings hat der Ausschlagende selbst keine weitergehenden Einflussmöglichkeiten auf die sich aufgrund der Ausschlagung ergebende Erbfolge.

 

Rn. 2631

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die Ausschlagung ist fristgebunden, sie kann nur binnen 6 Wochen nach Erlangung der Kenntnis vom Anfall des Erbes und des Berufungsgrunds (Testament, Erbvertrag, gesetzliche Erbfolge) erklärt werden, wobei bei testamentarischer Erbfolge erst die Bekanntgabe des Testaments durch das Nachlassgericht die Frist in Gang setzt, § 1944 Abs 1 und 2 BGB. In bestimmten Auslandsfällen verlängert sich die Frist auf 6 Monate (§ 1944 Abs 3 BGB).

 

Rn. 2632

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Eine Ausschlagung nur eines Teils des Erbes ist unzulässig und unwirksam (§ 1950 BGB); beruht die Erbeinsetzung allerdings auf mehreren Berufungsgründen, so kann die Erbschaft aus dem einem Berufungsgrund angenommen, aus dem anderen ausgeschlagen werden (s im Einzelnen §§ 1948, 1951 BGB). Der ausschlagende Erbe wird also, wenn nicht eine Erbschaft aus einem weiteren Berufungsgrund in Betracht kommt, rückwirkend überhaupt nicht Erbe.

 

Rn. 2633

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Erhält der ausschlagende Erbe aufgrund einer Vereinbarung mit den Erben oder den an seiner Stelle berufenen Personen eine Abfindung oder Entschädigung, so ist eine solche Ausschlagungsvereinbarung zivilrechtlich ohne Weiteres zulässig.

Erbschaftsteuerlich ist die Abfindung bei den Erben als Nachlassverbindlichkeit iSd § 10 Abs 5 Nr 3 ErbStG abzugsfähig, beim Ausschlagenden unterliegt die Abfindung nach § 3 Abs 2 Nr 4 ErbStG der Besteuerung, und zwar (im Hinblick auf Steuerklasse, Freibeträge und Steuersatz) als direkt vom Erblasser stammend.

 

Rn. 2634

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die zivilrechtliche Rückwirkung der Ausschlagung gilt auch im Steuerrecht, was aufgrund der kurzen Fristen weder grds noch (jedenfalls im Regelfall) praktischen Bedenken begegnet. Das mag dann anders sein, wenn die den Fristlauf in Gang setzende Kenntniserlangung erst eine längere Zeit nach dem Erbfall erfolgt. Andererseits wäre es unbillig, einem Erben, der (noch) nicht weiß, dass er Erbe ist, ertragsteuerliche Folgen aufzubürden, die er – mangels Kenntnis seiner Erbenstellung – nicht vorhersehen oder beeinflussen kann. Die Ausschlagung kann gerade auch aus steuerlicher Sicht dazu dienen, unvorhergesehene oder nachteilig nachgewordene steuerliche Folgen aus der Welt zu schaffen, zu typischen "Reparaturszenarien" vgl Flick, DStR 2000, 1816.

 

Rn. 2635

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Schlägt ein Erbe aus, ohne eine Abfindung oder Ähnliches zu erhalten oder für einen Dritten zu verlangen, führt dies dazu, dass

(1) der Nachlass unmittelbar, also ohne Durchgangserwerb beim Ausschlagenden, auf den/die anstelle des Ausschlagenden berufenen Erben übergeht (Tiedtke/Wälzholz, BB 2001, 234),
(2) der Ausschlagende nicht (Mit-)Unternehmer in einer Erbengemeinschaft geworden ist,
(3) weder eine entgeltliche noch eine unentgeltliche (§ 517 BGB!) Übertragung vom Ausschlagenden auf die Erben erfolgt, es liegt also insbesondere auch kein Veräußerungsgeschäft durch den Ausschlagenden vor.

Die Ausschlagung ist ein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs 1 Nr 2 AO.

 

Rn. 2636

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Das muss mE auch dann gelten, wenn zwischen Erbfall und Ausschlagung ungewöhnlich viel Zeit vergeht, weil zB der Erbe erst sehr spät von dem Anfall der Erbschaft dem Berufungsgrund erfährt (vgl § 1944 BGB).

 

Beispiel: Rückwirkende Änderung nach Ausschlagung

Unternehmerin U (verwitwet) hat drei Söhne, von denen S 3 nach langjährigem Streit ausgewandert ist. E...

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