Rn. 77

Stand: EL 148 – ET: 12/2020

Ein Problem der Bilanzierungskonkurrenz ergibt sich dann, wenn ein WG bereits zum BV des Gesellschafters einer PersGes gehört, wegen nachfolgender Nutzungsüberlassung an die PersGes zugleich aber die Voraussetzungen für Sonder-BV I erfüllt sind (dazu s nachfolgend).

Entschieden wurde dieses Zuordnungsproblem, das in der Literatur intensiv erörtert worden war, durch Urt BFH v 18.07.1979, BStBl II 1979, 750 (bestätigt ua BFH BStBl II 1996, 82; 1996, 93; 1994, 282; 1993, 714; 1987, 553; 1983, 570), dessen Leitsatz Nr 2 lautet:

Zitat

"Gehört das einer Mitunternehmerschaft zur Nutzung überlassene WG zu dem gewerblichen BV eines Mitunternehmers, so ist es gleichwohl als dessen Sonder-BV in die Gewinnermittlung einzubeziehen (§ 15 Nr 2 EStG). Es ist für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung auch dann nicht dem Betrieb des Mitunternehmers zuzurechnen, wenn dieser eine KapGes ist."

Da § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 S 1 Hs 2 EStG als lex specialis vom BFH (BFH v 07.12.2000, BFH/NV 2001, 719; BFH BStBl II 1998, 254 zu 2.e.; BFH BStBl II 1996, 93 zu II.2.a.; BFH v 28.11.1991, BFH/NV 1992, 377; BMF BStBl I 1998, 583 zu Nr 6) primär als Zuordnungsnorm und nicht als subsidiäre Einkünfteart-Qualifikationsnorm interpretiert wird, ist es ohne Belang, welche Rechtsform der an der PersGes beteiligte Mitunternehmer hat, dh, die vorrangige Zuordnung als Sonder-BV gilt für das BV des gewerblich tätigen Einzelkaufmanns genauso wie für die an einer anderen PersGes beteiligte gewerblich tätige GbR, OHG, KG (Doppelstock-PersGes) oder die KapGes; wegen der ggf abweichenden Behandlung von Werklieferungen s Rn 85. Die ab Nutzungsüberlassung geänderte BV-Zuordnung stellt weder eine Entnahme beim nutzungsüberlassenden BV noch eine Einlage beim aufnehmenden BV iSv § 4 Abs 4a EStG dar, wenn der Vorgang zum Buchwert stattfindet: BFH v 22.09.2011, BStBl II 2012, 10 betreffend mitunternehmerische Betriebsaufspaltung; ebenso OFD Ffm v 25.01.2019, S 2144 A – 117 – St 210, Rz 12.

Kerssenbrock, BB 2000, 763 möchte die "Subsidiaritätsthese" im speziellen Fall der Umwandlung einer Tochter-KapGes in eine Tochter-PersGes bei an diese vermieteten WG wieder aufleben lassen, und zwar mit dem Hinweis auf die anzustrebende Rechtsformneutralität des Steuerrechts. Die Interpretation des BFH als Zuordnungsnorm lässt jedoch mE für Ausnahmeregelungen, wie die vorgeschlagene, keinen Raum.

Nicht anzuwenden ist die vorrangige Zuordnung zum Sonder-BV I allerdings bei Nutzungsüberlassungen zwischen (sogar beteiligungsidentischen), nicht aneinander beteiligten gewerblichen oder gewerblich geprägten (BFH v 26.11.1996, BStBl II 1998, 328) Schwester-PersGes (zu solchen allg s Rn 19). Diese Rspr macht einen Vorrang der Subsidiaritätsthese wieder diskussionswürdig: s Poll, DStR 1999, 477/81; Strahl, KÖSDI 1998, 11 533/37; Neu, DStR 1996, 1757/59; Ley, NWB 1998, F3, 10 553. Nicht anzuwenden ist die vorrangige Zuordnung zum Sonder-BV I auch bei Nutzungsüberlassungen durch Besitz-PersGes (einschließlich atypisch stillen Gesellschaften oder Bruchteils-, Güter- und Erbengemeinschaften) bei im Rahmen selbst wiederum vorrangigen mitunternehmerischen Betriebsaufspaltungen (dazu auch s Rn 2929a): BMF v 28.04.1998, BStBl I 1998, 583; OFD Mchn, S 2241–42 St 41/42 M, DB 1999, 1878; BFH v 07.12.2000, BFH/NV 2001, 719; BFH v 24.11.1998, BStBl II 1999, 438). Davon wiederum ausgenommen ist die unentgeltliche und somit ohne Gewinnerzielungsabsicht vorgenommene Nutzungsüberlassung der Besitz-PersGes (BMF v 28.04.1998, aaO, zu 1.); dann würde das WG weiterhin zum Sonder-BV I der Gesellschafter bei der nutzenden PersGes gehören.

BFH und FinVerw gehen im Fall der Nutzungsüberlassung von WG durch eine Ober (OG)- an eine Unter (UG)-PersGes im Rahmen doppelstöckiger PersGes (grundsätzlich dazu s Rn 111b) weiterhin von Sonder-BV der OG bei der UG aus und verneinen die Anwendung der Rechtsgrundsätze für Schwester-PersGes – auch wenn an der UG neben der OG auch Gesellschafter der OG beteiligt sind: BMF BStBl I 1998, 583; BFH v 24.03.1999, BStBl II 2000, 399, LS Nr 4; BFH v 07.12.2000, BStBl II 2001, 316. Für die Auffassung des Vorrangs von Sonder-BV sprechen im allg der Wortlaut des § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 S 1 EStG (so GrS BFH BStBl II 1991, 691) und das Gebot der Rechtssicherheit. Kein Sonder-BV, sondern eigenständiges BV der OG liegt vor, wenn Forderungen und Schulden aus Leistungen zwischen den Gesellschaften resultieren, die im Rahmen eines laufenden Geschäftsverkehrs zu Bedingungen wie zwischen Fremden erfolgen: analog BFH v 28.10.1999,BStBl II 2000, 339; BFH BStBl II 1987, 564/65; 1981, 307. Insb bei Grund und Boden und Gebäuden können sich Probleme dann ergeben, wenn solche von der OG teils selbst genutzt werden und diese sie zum anderen Teil einer oder sogar mehreren UG zur Nutzung überlässt. Hier wäre ggf weiter zu differenzieren danach, ob der an die UG überlassene Teil von untergeordnetem Wert ist: s im Einzelnen Schmid, DStR 1997, 941/43. Wird ab dem Zeitpunkt einer Nutzun...

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