Die Entscheidung des BFH, dass nur eine Wertabweichung von 40 % oder mehr als wesentlich und als Verstoß gegen das Übermaßverbot zu bewerten ist, führt zumindest zu einer Klärung der Frage und damit zu einer gewissen Rechtssicherheit. Fraglich scheint mir aber, ob diese Grenze tatsächlich i.S.d. BVerfG ist oder ob der BFH hier zu Lasten der Steuerpflichtigen über das Ziel hinausgeschossen ist.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur i.R.d. verfassungsmäßigen Ordnung zur Steuerleistung herangezogen zu werden, auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot enthält. Dies besagt, dass ein Steuerpflichtiger nicht zu einer unverhältnismäßigen Steuer herangezogen werden darf. Das Übermaßverbot zwingt somit dazu, Befreiung von einer schematisierenden Belastung zu erteilen, wenn die Folgen extrem über das normale Maß hinausschießen, das der Schematisierung zugrunde liegt und die Erhebung der Steuer im Einzelfall Folgen mit sich bringt, die unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellung durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind.

Zu beachten ist dabei, dass die Entscheidung des BVerfG zur damaligen Vermögensteuer ergangen ist, die i. Erg. nur eine recht geringe Belastung des verfügbaren Vermögens beinhaltete und zudem durch hohe Freibeträge geprägt war. Bei der Erbschaftsteuer ist die Belastung ungleich höher. Die Wesentlichkeitsgrenze von 40 % oder mehr kann also dazu führen, dass der tatsächlich erzielte Veräußerungspreis zu einem Großteil durch die Erbschaftsteuer aufgezehrt wird.

 

Beispiel

Der Landwirt A ist in 2019 verstorben. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb ist auf den Sohn B übergegangen, der sich allerdings mit der Landwirtschaft sehr schwer tut. Nach Abzug von Freibeträgen und sonstigen Vergünstigungen (§ 13a ErbStG) ergibt sich bei einer Bewertung nach § 162 BewG durch den Erbfall keine Erbschaftsteuer. B stellt 2022 den Betrieb ein und verkauft den Hof mit allen Ländereien an den Landwirt C. Der Kaufpreis beträgt 6 Mio. EUR. Das FA ermittelt einen Liquidationswert i.H.v. 8 Mio. EUR.

Folge: Da die Differenz zwischen Liquidationswert und tatsächlichem Kaufpreis von 2 Mio. EUR lediglich eine Abweichung von unter 40 % darstellt, kann der tatsächliche Kaufpreis keine Berücksichtigung finden. B muss den nach Abzug des Freibetrages von 400.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, Stkl. I) verbleibenden Betrag von 7.600.000 EUR mit 23 % (§ 19 ErbStG) versteuern. Die darauf entfallende Steuer beläuft sich auf 1.748.000 EUR. Würde der tatsächliche Kaufpreis angesetzt, ergäbe sich lediglich eine Steuer von 1.064.000 EUR (19 %). Die tatsächliche Steuerbelastung wäre also rund 41 % geringer.

Bei diesem Ergebnis stellt sich schon die Frage, ob bei der Prüfung von Billigkeitsmaßnahmen nicht besser auf die Höhe der jeweiligen Steuer abzustellen wäre, zumal das vorstehende Ergebnis noch krasser wäre, wenn an dem Erbfall Personen beteiligt sind, die den Stkl. II oder sogar Stkl. III des ErbStG zuzuordnen wären.

Beraterhinweis Generell gilt, dass Billigkeitsmaßnahmen die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers nicht generell durchbrechen oder korrigieren dürfen, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Daraus folgt, dass mit den verfassungsrechtlich gebotenen Billigkeitsmaßnahmen nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden darf.

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