Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbot der Sondervollstreckung beim Vorliegen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

 

Normenkette

InsO § 89

 

Verfahrensgang

AG Chemnitz (Beschluss vom 21.07.2003; Aktenzeichen 36s M 3144/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 21.07.2003, Az.: 36s M 3144/03, aufgehoben. Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Auffassung des Beschwerdegerichts an das Amtsgericht Chemnitz zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Gemeinschuldnerin, Frau …, ist Eigentümerin des Grundstücks, Grundbuch … Blatt … Flurstücks-Nr. ….

Am 21.1.1997 bestellte die Grundstückseigentümerin zugunsten der Beteiligten zu 1) am vorgenannten Grundstück eine Grundschuld i.H.v. 192.500,00 DM. Die Gemeinschuldnerin unterwarf sich wegen des Grundschuldkapitals sowie der Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in das Grundstück. Die Grundschuld wurde im Grundbuch vermerkt.

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde durch das Amtsgericht Chemnitz das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2), Rechtsanwalt, wurde als Verwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellt.

Am 20.6.2003 beantragte die Gläubigerin beim Amtsgericht Chemnitz den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Wegen einer Teilforderung i.H.v. 18.900,00 EUR aus der vorgenannten Grundschuldbestellungsurkunde sollen Zahlungsansprüche der Gemeinschuldnerin gegen die Beteiligten zu 3) bis 8) aus einem Mietverhältnis gem. §§ 1123 I, 1192 BGB gepfändet und der Gläubigerin in Höhe des Pfandbetrages zur Einziehung überwiesen werden. Bei den Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen die Beteiligten zu 3) bis 8) handelt es sich um gegenwärtige und zukünftige Nettokaltmiete aus Mietverträgen.

Am 21.7.2003 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgelehnt. Zur Begründung führt sie aus, dass die Forderungspfändung wegen des Vollstreckungsverbotes gem. § 89 InsO unzulässig sei.

Gegen den am 28.7.2003 zugestellten Beschluss legte die Beteiligte zu 1) am 4.8.2003 sofortige Beschwerde ein. Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, dass der begehrten Pfändung und Überweisung der Mietzinsansprüche das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO nicht entgegensteht.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landgericht Chemnitz zur Entscheidung vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gem. § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig.

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verfahren ist zur weiteren Behandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Das vom Amtsgericht angenommene Vollstreckungshindernis des § 89 InsO besteht im vorliegenden Fall nicht.

Gem. § 89 I InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Die Beteiligte zu 1) betreibt als Gläubigerin die Zwangsvollstreckung aus dinglichem Recht. Diesem unterliegen auch die Mietzinsforderungen des Schuldners aus dem Grundstück (§§ 1191, 1192 I, 1123 I BGB). Der dingliche Titel gewährt der Gläubigerin nicht nur das Recht auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung, sondern sie kann die Beschlagnahme der Mietzinsforderungen auch im Wege der Forderungspfändung nach §§ 829, 835 ZPO erwirken (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 1123 BGB, Rnr. 3). Eine derartige Pfändung eines dinglichen Titels ist auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig (Palandt a.a.O. § 1123 Rnr. 5). Das Verbot der Sondervollstreckung nach § 89 InsO bezieht sich nur auf Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO), nicht jedoch auf Gläubiger, die ihr Absonderungsrecht verfolgen. Aus § 49 InsO ergibt sich nichts Anderes. Die Vorschrift besagt insbesondere nicht, dass absonderungsberechtigte Gläubiger, denen vor Eröffnung der Insolvenz das Recht zustand, aus ihrem dinglichen Recht in die ihrem Recht verhafteten Mietzinsforderungen nach §§ 829, 835 ZPO zu vollstrecken, dieses Recht verlieren sollen. Vielmehr hat es die InsO insoweit beim bisher geltenden Recht belassen, das einen solchen Verlust nicht vorsah (vgl. Beschluss des LG Traunstein vom 9.6.2000, NZI 2000, S. 438).

Unter Berücksichtigung dieser Auffassung steht das Vollstreckungsverbot des § 89 Inso dem Erlass des von der Beteiligten zu 1) begehrten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht entgegen. Das Amtsgericht durfte daher nicht wegen des Vollstreckungsverbotes gem. § 89 InsO den Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Beteiligten zu 1) ablehnen. Daher war der amtsgerichtliche Beschluss aufzuheben. Da eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Bet...

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