Entscheidungsstichwort (Thema)

Stillschweigende Erklärung des Nichtbestehens einer vorherigen Abtretung bzw. Verpfändung bei Unterbleiben eines Hinweises nach § 287 Abs. 2 S. 2 Insolvenzordnung (InsO)

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt der Schuldner einen Eigenantrag auf Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens verbunden mit einem Restschuldbefreiungsantrag und gibt er im Zusammenhang mit der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO keinen Hinweis nach § 287 Abs. 2 Satz 2 ZPO, kann der Restschuldbefreiungsantrag nicht wegen Unvollständigkeit als unzulässig verworfen/zurückgewiesen werden, es sei denn, der Schuldner hätte wegen vor der Abtretungserklärung tatsächlich doch erfolgter Abtretung/Verpfändung an Dritte einen ausdrücklichen Hinweis darauf nach § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO geben müssen.

Gibt der Schuldner den nach § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO vorgeschriebenen Hinweis nicht, enthält sein Schweigen zugleich die stillschweigende Erklärung, eine vorherige Abtretung oder Verpfändung der Forderungen sei nicht erfolgt.

 

Normenkette

InsO § 287 Abs. 2 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 29.03.2007; Aktenzeichen 98 IN 210/03)

 

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 29.03.2007 – 98 IN 210/03 – und der Nichtabhilfebeschluss vom 18.04.2007 werden aufgehoben.

Das Verfahren wird zur anderweitigen Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Amtsgericht darf den Antrag auf Restschuldbefreiung nicht als unzulässig verwerfen/zurückweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Tatbestand

I.

Unter dem 01.07.2003 hat der Schuldner einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung. In dem verwendeten Formular ist der Abschnitt „Erklärung über bestehende Abtretungen und Verpfändungen (§ 287 Abs. 2 S. 2 InsO)” nicht ausgefüllt.

Unter dem 15.01.2007 hat der Insolvenzverwalter in dem als Regelinsolvenzverfahren geführten Verfahren beantragt, der Schlussverteilung zuzustimmen und Schlusstermin zur Aufhebung des Verfahrens zu bestimmen.

Mit am 12.03.2007 zugestellter Verfügung vom 06.03.2007 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts den Schuldner darauf hingewiesen, der Restschuldbefreiungsantrag sei unvollständig, es fehlten Angaben, ob bereits Abtretung oder Verpfändung von Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an einen Dritten vereinbart wurden (§ 287 Abs. 2 Satz 2 InsO). Zugleich hat er auf die einzuhaltende Frist von zwei Wochen und darauf hingewiesen, dass bei Nichteinhaltung dieser Frist mit der Zurückweisung des Antrags als unzulässig gerechnet werden müsse.

Nachdem bis dahin ein Eingang nicht zu verzeichnen war, hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zurückgewiesen, weil der Antrag nicht innerhalb der dafür gesetzten, nicht verlängerbaren Frist nicht ordnungsgemäß ergänzt worden sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der der Schuldner geltend macht, er habe wegen seiner schweren Legasthenie große Schwierigkeiten, Schriftstücke zu lesen und die Dringlichkeit der Ergänzung des Antrags nicht vollständig erfasst. Soweit ihm bekannt, habe er vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge nicht an einen Dritten abgetreten oder verpfändet. Er erstrebt dementsprechend die Rücknahme des angefochtenen Beschlusses.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die angegebene Leseschwäche sei keine ausreichende Entschuldigung, der Beschwerdeführer habe Dritte (z.B. seine bei ihm lebenden 16 und 17 Jahre alten Söhne), auch das Gericht, um Hilfe durch Vorlesen bitten können.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die fehlende Unterschrift ist insoweit unerheblich, weil keine Zweifel angezeigt sind, dass die sofortige Beschwerde vom Beschwerdeführer stammt und auf seinem Willen beruht.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, weil der Antrag auf Restschuldbefreiung nicht unzulässig ist.

Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist nicht wegen Unvollständigkeit unzulässig, andere Unzulässigkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

Schon der ursprünglich gestellte Antrag vom 01.07.2003 war nicht im Hinblick auf § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO unvollständig. Daran ändert die Nichtbeantwortung des Abschnitts „Erklärung über bestehende Abtretungen und Verpfändungen (§ 287 Abs. 2 S. 2 InsO)” nichts. In diesem Abschnitt des als „Eigenantrag Verbraucherinsolvenz: Hauptblatt” vorgesehenen Formulars ist im wesentlichen danach gefragt, ob die in der Abtretungserklärung angesprochenen Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge vor der Antragstellung abgetreten oder verpfändet worden sind, oder nicht. Damit verlangt das Formular unter Hinweis auf § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO mehr als das Ges...

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