Leitsatz

1. Führen zwei aufeinander folgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, so kann diese Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die als einzige befreit ist nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL.

Diese Auslegung gilt unabhängig davon, in der Verfügungsmacht welches Steuerpflichtigen – des Erstverkäufers, des Zwischenerwerbers oder des Zweiterwerbers – sich der Gegenstand während dieser Versendung oder Beförderung befindet.

2. Nur der Ort der Lieferung, die zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führt, bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL; er befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns dieser Versendung oder Beförderung. Der Ort der anderen Lieferung bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie; er befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft dieser Versendung oder Beförderung, je nachdem, ob diese Lieferung die erste oder die zweite der beiden aufeinander folgenden Lieferungen ist.

 

Normenkette

Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1, Art. 28b Teil A Abs. 1, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 3 Abs. 6 und 7, § 3d UStG)

 

Sachverhalt

EMAG bezog Buntmetalle von der K-GmbH (beide ansässig in Österreich). K-GmbH hatte die Waren u.a. von in Italien ansässigen Vorlieferanten erworben. K-GmbH wies nach Abschluss eines Geschäfts mit der EMAG den Vorlieferanten an, die Waren dem von ihr, der K-GmbH, beauftragten Spediteur zu übergeben, an die Lager der EMAG (in Österreich) oder direkt an deren Kunden zu liefern. Die EMAG beantragte vergeblich die ihr von der K-GmbH berechnete USt. Das österreichische FA meinte, Lieferort der Lieferung der K-GmbH an EMAG sei Italien (Beginn der Beförderung).

 

Entscheidung

Die Grundsätze zur Auslegung sind in den Praxis-Hinweisen erläutert.

 

Hinweis

Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL (= § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG) gilt als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet. Wird der Gegenstand nicht versandt oder befördert, gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL (= § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG) der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet.

Als innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versendet oder befördert wird (Art. 28a Abs. 3 der 6. EG-RL; vgl. § 1a UStG). Leistungsort des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen ist der Ort, an dem sich diese zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden (Art. 28b Abs. 1 der 6. EG-RL (= § 3d Satz 1 UStG).

1. Das österreichische Gericht hatte Zweifel, ob in einem Fall, in dem zwei verschiedene Lieferungen mit nur einer physischen Bewegung von Gegenständen ausgeführt werden – Beispiel: D (Italien) verkauft an K und dieser an E (beide Österreich) und Beförderung/Versendung der Ware von Italien zum letzten Abnehmer (E) –, nach der 6. EG-RL zwei innergemeinschaftliche Lieferungen vorliegen könnten und ob es eine Rolle spielen kann, wer die Verfügungsmacht über den Gegenstand während der Warenbewegung hat.

§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG entspricht der Antwort des EuGH: Die Warenbewegung ist nur einer der Lieferungen zuzuordnen:

Zwei aufeinander folgende Lieferungen, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen, sind als eine nach der anderen erfolgt anzusehen. Denn der Zwischenerwerber kann die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Zweiterwerber nur übertragen, wenn er sie zuvor vom Erstverkäufer erhalten hat. Ohne Bedeutung ist, in wessen Verfügungsmacht – der, des Erstverkäufers, des Zwischenerwerbers oder des Zweiterwerbers – sich der Gegenstand während dieser Versendung oder Beförderung befindet (vgl. Rd.Nrn. 38 und 45).

2. Welcher Lieferung ist die Versendung/Beförderung zuzuordnen?

Die 6. EG-RL unterscheidet in Art. 8 Abs. 1 – das hebt der EuGH hervor – für die Bestimmung des Lieferorts nicht zwischen "innergemeinschaftlichen" und "innerstaatlichen" Lieferungen; sie unterscheidet nur Lieferungen, die zu einer Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen (Buchst. a = § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG), von Lieferungen, die nicht zu einer Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen (Buchst. b = ...

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