Rz. 56

[Autor/Stand] Im Unterschied zum Grundgesetz enthält die Hessische Landesverfassung in Art. 47 Abs. 1 HV eine Zielbestimmung zur Ausgestaltung von Landessteuern. Danach werden Vermögen und Einkommen progressiv nach sozialen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der familiären Lasten besteuert. Eine vergleichbare Vorschrift enthält die Bayerische Landesverfassung in Art. 123 BV.[2]

 

Rz. 57

[Autor/Stand] Der Hessische Staatsgerichtshof hatte noch keine Gelegenheit Maßstäbe für den Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 1 HV aufzustellen. Die Vorschrift führt in Hessen ein Schattendasein. Wegen der Vergleichbarkeit der hessischen Vorschrift zu Art. 123 BV kann auf die dort maßgeblichen Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach ist Art. 123 BV kein Grundrecht,[4] sondern ein allgemeiner Grundsatz für die Gestaltung des Abgabewesens,[5] der "Richtlinien für den Gesetzgeber" enthalte[6] (also eine Staatszielbestimmung). Der Anwendungsbereich dieser verfassungsrechtlichen Vorschrift ist auf "Personensteuern" beschränkt. Denn nur bei diesen können persönliche Verhältnisse berücksichtigt werden, nicht hingegen bei Landessteuern, die – ihrer Natur nach – nach objektiven Merkmalen bemessen werden.[7] Diese einschränkende Auslegung ist sachgerecht und sollte auch für Art. 47 Abs. 1 HV gelten.[8] Denn dort wird ausdrücklich auf die Berücksichtigung "sozialer Gesichtspunkte" sowie einer "progressiven" Ausgestaltung einer (Landes-)Steuer abgestellt. Diesen Begriffen sind personenbezogene Merkmale immanent, so dass Objektsteuern[9] (§ 2 GrStG Rz. 3) hiervon nicht umfasst sein können.

 

Rz. 58

[Autor/Stand] Die Hessische Grundsteuer wird – wie auch die anderen Grundsteuermodelle – ausschließlich nach objektiven Kriterien bemessen und ist unstreitig als sog. Objektsteuerausgestaltet. Persönliche Merkmale spielen allenfalls eine untergeordnete Rolle (z.B. persönliche Grundsteuerbefreiungen nach § 3 GrStG), sind aber nicht charakterprägend. Damit würde Art. 47 Abs. 1 HV als Maßstab für das Hessischen Grundsteuergesetz – zumindest, wenn der Rechtsprechung zu Art. 123 BV gefolgt würde – nicht zur Anwendung kommen. Das bedeutet, dass die Ausgestaltung der Hessischen Grundsteuer als Flächensteuer mit Faktor unter Ausklammerung zentraler wertbildender Faktoren zumindest vor Art. 47 Abs. 1 HV bestand hätte.

[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[2] Vgl. dazu Schmidt, DStR 2020, 249 (255 f.).
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[4] BayVerfGH, Beschl. v. 21.11.1949 – Vf. 63-VII-48, VerfGHE BY 2, 181; BayVerfGH, Beschl. v. 5.4.1963 – Vf. 16-VII-61, VerfGHE BY 16, 46.
[5] BayVerfGH, Beschl. v. 21.10.1960 – Vf. 24-VII-59, VerfGHE BY 13, 127.
[6] BayVerfGH, Beschl. v. 21.10.1960 – Vf. 24-VII-59, VerfGHE BY 13, 127.
[7] BayVerfGH, Beschl. v. 6.3.1981 – Vf. 8-VII-79, VerfGHE BY 34, 31, juris Rz. 63 mwN.
[8] Kritisch gegenüber der bayerischen Rspr., Schmidt, DStR 2020, 249 (256).
[9] G. Kirchhof, DStR 2018, 2661 (2663); Wünsche, BB 2019, 1821 (1823); vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 18.2.2009 – 1 BvR 1334/07, DB 2009, 773 Rz. 8 m.w.N.: "Es ist dem Charakter der Grundsteuer als Objektsteuer geschuldet und daher als solches verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Grundbesitzers erhoben wird".
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022

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