Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 3 ArbZG als Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Nichtigkeit des zweiten Arbeitsverhältnisses wegen dauerhafter Überschreitung der regelmäßigen gesetzlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Voraussetzungen einer geltungserhaltenden Reduktion bei einem Arbeitsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei § 3 ArbZG handelt es sich um ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB.

2. Führt der Abschluss eines zweiten Arbeitsvertrags mit einem anderen Arbeitgeber dazu, dass der Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 S. 1 2. HS ArbZG die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschreitet, hat dies grundsätzlich die Nichtigkeit des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrags zur Folge.

3. Der Fortbestand des Arbeitsvertrags unter Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit auf das gesetzlich noch zulässige Maß kommt nur in Betracht, wenn sich insoweit eindeutig ein übereinstimmender hypothetischer Wille beider Vertragsparteien feststellen lässt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Wurden zwei Arbeitsverträge abgeschlossen, wobei der zeitlich nachfolgend abgeschlossene Vertrag eine die gesetzlichen Höchstgrenzen überschreitende Arbeitszeit vorsah, finden die Grundsätze der Rechtsprechung zur geltungserhaltenden Reduktion Anwendung. Danach kommt eine Aufspaltung der Vereinbarung in einen unwirksamen und einen weiterhin wirksamen Teil grundsätzlich in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass angenommen werden kann, die Vertragsparteien hätten bei Kenntnis der teilweisen Rechtswidrigkeit ihrer vertraglichen Vereinbarung eine Regelung getroffen, die sich auf das Ausschöpfen des zulässigen gesetzlichen Rahmens beschränkt.

 

Normenkette

ArbZG § 2 Abs. 1, § 3; BGB § 134; ArbZG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Entscheidung vom 09.11.2018; Aktenzeichen 3 Ca 573/18)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Weiden - Außenkammer Schwandorf - vom 09.11.2018 - 3 Ca 573/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses und um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Der am 01.02.1965 geborene und verheiratete Kläger war beim Beklagten seit 01.04.1999 als stellvertretender Wasserwart, später als Wasserwart beschäftigt. Am 29.12.2000 schlossen die Parteien einen entsprechenden schriftlichen Arbeitsvertrag ab und vereinbarten eine Entlohnung nach LG 3, Stufe 1 BMT-G. Zuletzt erhielt der Kläger ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 999,64 € zuzüglich monatliche Fahrtkostenentschädigung von 97,65 €. Ferner vereinbarten die Parteien eine jährliche Arbeitszeit von 726 Stunden bzw. monatliche Arbeitszeit von 60,5 Stunden, beruhend auf den Feststellungen des Klägers in der Zeit ab April 1999 zur notwendigen Arbeitszeit, um die Aufgaben des Wasserwartes wahrnehmen zu können. Der Kläger sollte seine konkrete Arbeitszeit eigenverantwortlich festlegen. Für Eil- und Notfälle erhielt er ein Mobiltelefon vom Beklagten und verpflichtete sich, auf Abruf einsatzbereit zu sein. In den Jahren 2012 bis 2017 fielen 300 weitere Arbeitsstunden an auch im Zusammenhang mit solchen Eil- und Notfällen wie Rohrbrüchen, die auch zusätzlich vergütet wurden.

Der Kläger war ferner in Vollzeit bei einer anderen Firma in W... beschäftigt. Dabei handelte es sich nach den dort anzuwendenden tariflichen Bestimmungen für die bayerische Metall- und Elektroindustrie anfangs um 35 Wochenstunden. Im Laufe der Jahre erhöhte sich die dort vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit auf 39,5 Stunden und nach einer Firmenübernahme auf 40 Stunden.

Nach dem Regelwerk des D... e.V., dort W 1000, werden Mindestanforderungen an die einschlägige Ausbildung der technischen Führungskräfte definiert. Bei einem Trinkwasserversorger, der nur Wasserverteilung macht, aber keine Wassergewinnung und -aufbereitung, muss danach die technische Führungskraft eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für das Einsatzgebiet Rohrsystemtechnik bzw. Fachrichtung Versorgungstechnik haben oder geprüfter Netzmonteur, Handlungsfeld Wasser, sein oder eine gleichartige Qualifikation vorweisen können. Bei einem Trinkwasserversorger, der neben der Wasserverteilung auch Wassergewinnung und einfache Wasseraufbereitung macht, muss die technische Führungskraft eine Ausbildung zur Fachkraft für Wasserversorgungstechnik oder als Ver- und Entsorger in der Fachrichtung Wasserversorgung haben oder eine gleichartige Qualifikation vorweisen können.

Im Jahr 2012 rügte der Bayerische Kommunale Prüfungsverband ungenügende Stunden-, Tätigkeits- und Fahrtkilometeraufzeichnungen des Klägers. Die Beanstandungen wurden vom Verband im Jahr 2016 wiederholt. Des Weiteren wurde beanstandet, dass weniger als die vertraglich vereinbarten 60,5 Monatsarbeitsstunden zur Erledigung der Arbeiten als Wasserwart erforderlich sind. In der Folgezeit kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien.

Mit Schreiben vom 26.04.2018 teilte der Beklagte schließlich mit, dass für die Arbeit als Wasserwart allenfalls 40 Wochenstunden erforderlich seien, dem Kläger a...

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