Falls die deutsche Finanzverwaltung und ihr folgend die Finanzgerichte einen Zufluss vor dem Auscashen in Fiat-Währung bejahen sollten[1], besteht im Einzelfall die Möglichkeit, hilfsweise einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO zu stellen, um eine niedrigere Steuerfestsetzung zu erreichen.

Nach dieser Vorschrift können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

3.3.1 Rechtsgedanke der Leistungsfähigkeit

Unbilligkeit könnte sich im vorliegenden Fall aus dem im deutschen Steuerrecht maßgeblichen Prinzip der Leistungsfähigkeit ergeben. Dieses Prinzip fordert, dass eine Steuer nur einer Person auferlegt wird, die diese Steuer aus ihrem disponiblen Einkommen erbringen kann und, dass die Steuerlast gerecht gemäß der steuerlichen Leistungsfähigkeit auf die Steuerpflichtigen verteilt wird.[1] Hierbei ist die horizontale und die vertikale Steuergerechtigkeit zu unterscheiden. Die horizontale Steuergerechtigkeit besagt, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich zu besteuern sind. Nach der vertikalen Steuergerechtigkeit muss hingegen eine höhere Leistungsfähigkeit im Vergleich zu einer geringeren angemessen berücksichtigt werden.

Sofern für den Zeitpunkt des Zuflusses nicht erst auf den Zeitpunkt des Auscashens in Euro abgestellt wird und ein Wertverlust des Coins zwischen dem Zufluss und dem Auscashen eingetreten sein sollte, wäre der Steuerpflichtige nicht mehr (vollständig) leistungsfähig. Vor diesem Hintergrund ließe sich u. E. mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine niedrigere Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO rechtfertigen.

3.3.2 Vergleich mit der Erbschaftsteuer

Ähnliches findet sich im Erbschaftsteuerrecht. So richtet sich bei einem Sachvermächtnis der Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer nicht nach der Erfüllung des Anspruchs (z. B. Auflassung und Eintragung ins Grundbuch), sondern nach dem Tod des Erblassers, vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgeblich für den Bewertungsstichtag nach § 11 ErbStG. Insbesondere bei Grundstücksvermächtnissen können sich hieraus bei sinkenden Grundstückspreisen erhebliche steuerliche Konsequenzen ergeben.

Sofern die Erbenstellung erst nach einigen Jahren festgestellt wird und der im Zeitpunkt des Todes vorhandene Nachlass u. U. nicht mehr vorhanden ist, wird die Erbschaftsteuer gleichwohl nach dem im Todeszeitpunkt maßgebenden Wert des Nachlasses festgesetzt. Das FG Düsseldorf[1] hat jedoch in diesem Fall mit Entscheidung vom 30.06.2021 eine Bewertung mit 0 EUR aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abs. 1 AO befürwortet. Aufgrund von möglichen Wertverlusten bis zum Zeitpunkt des Auscashens könnte u. U. zu diesem Zeitpunkt nichts mehr bzw. nur noch ein geringer Teil vom ursprünglichen Wert der Coins vorhanden sein.

Vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips und einem Vergleich mit den Grundsätzen, die bei der der Handhabung der Erbschaftsteuer Anwendung finden, wäre aufgrund von denkbaren Wertverlusten bis zum Zeitpunkt des Auscashens ein solcher Antrag nach § 163 AO ein gangbarer Weg, um dem Umstand der diesbezüglich nicht mehr vorhandenen Liquidität Rechnung zu tragen.

3.3.3 Festsetzungsverjährung

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Festsetzungsverjährung zu beachten. Nach Eintritt der Festsetzungsverjährung, ist die Änderung eines Bescheids nicht mehr möglich. Die Berechnung der diesbezüglichen Festsetzungsfrist ist in den §§ 169 ff. AO geregelt. Nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die reguläre Festsetzungsfrist 4 Jahre. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.[1] Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei dem Antrag nach § 163 AO um ein eigenes Verfahren mit eigenen Verjährungsfristen handelt.

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