Beim Initial Coin Offering (ICO) handelt es sich um ein Finanzierungsmodell in Form eines virtuellen Börsengangs, bei dem Coins bzw. Token zum Verkauf angeboten werden. Bei einem ICO erwirbt der Anleger (schuldrechtlich) das Recht, noch nicht geschaffene Coins zu erwerben.

2.3.2.1 Coins aus dem ICO

Die Coins sind also zum Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht gemint[1] und damit noch nicht existent. Der Anleger erhält diese Coins zu einem späteren Zeitpunkt. Es besteht mithin eine Diskrepanz zwischen Zeichnung der Coins und dem Erhalt der Coins. Da § 23 EStG – wie bereits ausgeführt – auf das schuldrechtliche Geschäft abstellt, beginnt die Frist zu laufen, bevor der Anleger diese noch zu erschaffenden Coins in seiner Wallet verfügbar hat.[2] Der Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung, d. h. der Übertragung der Token, ist nicht relevant, muss aber für einen Anschaffungsvorgang tatsächlich erfolgen.[3] Wegen der Ausrichtung des Rechtsgeschäfts auf eine tatsächliche Lieferung der Token und nicht auf einen bloßen Differenzausgleich, handelt es sich nicht um Termingeschäfte nach § 20 Abs. 2 Nr. 3a EStG.[4]

 
Hinweis

Fristbeginn bei Krypto-Tools anpassen

Wie bereits ausgeführt[5], existieren im Internet diverse Tools bei speziellen Plattformen zur Ermittlung etwaiger Einkünfte nach § 23 EStG. In diesem Punkt müssen die Steuerreporte der Tools manuell überprüft bzw. nachgebessert werden, da sie den Beginn der Frist nach § 23 EStG automatisiert nicht richtig erkennen können.

[1] S. Abschnitt 1.
[2] Steger, Bitcoin und andere Kryptowährungen (currency token), S. 106.
[3] Brinkmann in Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 13, Rn. 64.
[4] Brinkmann in Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 13, Rn. 64.

2.3.2.2 Zum Erwerb eingesetzte Coins

Meist erfolgt der Erwerb der noch zu erschaffenden neuen Coins durch die Verwendung von bereits vorhandenen Coins einer anderen Kryptowährung. Die Besteuerung dieser für den Erwerb eingesetzten Coins, erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie der Kauf bzw. Verkauf von Kryptowährungen (sog. Trading) bzw. der Tausch gegen andere Kryptowährungen.[1]

Maßgeblich für die Fristberechnung nach § 23 EStG in Bezug auf diese Coins ist auch hier das schuldrechtliche Geschäft. Eine davon zu trennende Frage ist, in welchem Veranlagungszeitraum der Gewinn zugeflossen ist.[2]

Exkurs: Zufluss des in Kryptowährung gezahlten Arbeitslohns[3]

Sofern Arbeitnehmern im Rahmen eines ICO verbilligt oder unentgeltlich Token überlassen werden, kann eine Geldleistung[4] oder ein Sachbezug[5] vorliegen. Nach dem BMF-Schreiben vom 10.5.2022 ist dies stets bezogen auf den Einzelfall zu prüfen.[6] Der Sachbezug nach § 19 EStG soll beim Arbeitnehmer regelmäßig im Zeitpunkt der Einbuchung in die Wallet zufließen; frühestens jedoch, sobald die Token gehandelt werden können.[7] Der Wert der Token und der damit verbundene steuerpflichtige geldwerte Vorteil ist dann in aller Regel höher und widerspricht der Sichtweise des BFH.[8]

[9] Der Sachbezug ist nach den allgemeinen Regelungen – mit dem um die üblichen Preisnachlässe geminderten Endpreis am Abgabeort im Zeitpunkt der Einräumung des Anspruchs – zu bewerten.[10] Der Sachbezug bleibt bis zu einem Betrag von 50 EUR (bis 31.12.2021: 44 EUR) pro Monat steuerfrei.[11] Sofern man Bitcoins ab dem 7.9.2021 als Fremdwährung einstuft[12], liegt ab diesem Zeitpunkt eine Geldleistung vor mit der Folge, dass § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG keine Anwendung findet.[13]

 
Hinweis

Gestaltung mit ICO

Hier besteht Gestaltungsspielraum zugunsten von Arbeitnehmern, die an das "Projekt des ICO glauben": Bei einer sehr frühzeitigen Anspruchsgewährung zugunsten des Arbeitnehmers kann dieser i. d. R. von den noch sehr niedrigen Börsen- bzw. Marktpreisen profitieren.

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