Im Folgenden wird angenommen, dass es sich bei Coins und Token einer Kryptowährung jeweils um ein "anderes Wirtschaftsgut" i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt.[1]

[1] S. hierzu die Qualifizierung der Token oben bei den Definitionen.

2.2.2.1 Jahresfrist

Werden Wirtschaftsgüter im Privatvermögen gehalten und innerhalb eines Jahres nach Erwerb wieder veräußert, unterliegt der erzielte Gewinn der Steuerpflicht nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl ein Anschaffungsvorgang als auch ein Veräußerungsvorgang vorliegen. Hinsichtlich des Gewinns besteht eine Freigrenze von 600 EUR gem. § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG pro VZ. Wird diese Freigrenze überschritten, sind sämtliche Gewinne einkommensteuerpflichtig. Werden Coins einer Kryptowährung erst nach mehr als einem Jahr Haltedauer veräußert oder nach mehr als einem Jahr in Coins einer anderen Kryptowährung getauscht, ist der Erlös steuerfrei.[1] Die Frist beginnt mit der Anschaffung, wobei der Tag der Anschaffung selbst nicht mitzuzählen ist und endet mit Ablauf des Tages der Veräußerung.[2] Maßgeblich für die Anschaffung ist grds. der Abschluss des Kaufvertrags (schuldrechtliches Geschäft).[3] Bei einer Anschaffung z. B. am 1.1.2022 endet die Haltefrist mit Ablauf des 1.1.2023, womit eine Veräußerung ab dem 2.1.2023 nicht mehr steuerpflichtig wäre.

Das BMF-Schreiben vom 10.5.2022[4] lässt für die Ermittlung der Jahresfrist aus Vereinfachungsgründen die Zeitpunkte zu, die sich aus der Wallet ergeben, sofern es sich um einen Direkterwerb oder eine Direktveräußerung ohne Zwischenschaltung von Intermediären handelt. Auf diese Daten haben auch die steuerlichen Reporting-Tools[5] Zugriff. Soll für die Jahresfrist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend sein, müsse der Steuerpflichtige den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch geeignete Unterlagen nachweisen.

 
Hinweis

Daten genau prüfen

Für Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge sind die schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen und nicht die Zu- und Abbuchungen in den Wallets oder der Blockchain entscheidend. Hier greifen die steuerlichen Reporting-Tools[6] daher u. U. auf falsche Daten zurück. Bei Verkäufen kurz vor Ablauf der jeweiligen Spekulationsfristen des § 23 EStG können einige Tage Abweichung u. U. über die Steuerbarkeit entscheiden. Mandanten sind hierauf hinzuweisen und die Steuerreporte der Tools ggf. entsprechend anzupassen.

[2] Brinkmann in Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, 2021, Kap. 13, Rn. 99.
[3] Ronig, NWB-EV 2018 S. 132, 133; Heuel/Matthey, NWB 2018 S. 1037, 1040.

2.2.2.2 Anschaffungsvorgang

Die Veräußerung ist nur steuerbar, wenn ihr die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsguts vorausgegangen ist. Die Veräußerung selbst hergestellter Wirtschaftsgüter ist, abgesehen von der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG für selbst errichtete Gebäude, unbeachtlich.[1] Anschaffung ist bei wirtschaftlicher Betrachtung jeder entgeltliche Vorgang, der auf Erwerb des (wirtschaftlichen) Eigentums gerichtet ist.[2] Die Rechtsprechung grenzt die Anschaffung über den Begriff der "Entgeltlichkeit" zu unentgeltlichen Vorgängen ab. Ein Anschaffungsvorgang liegt bei einem "entgeltliche[n] Eigentumserwerb eines Wirtschaftsgutes von einem Dritten" vor. Bei einem unentgeltlichen Erwerb sind Anschaffungsdatum und Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend[3]

Bezug durch Tausch

Der Tausch eines Token einer Kryptowährung in einen Token einer anderen Kryptowährung, ist als Anschaffung der Letzteren oder hier: ist i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG zu bewerten.[4]

Bezug durch Lending, Staking u. a.

Sofern ein Bezug von Coins (z. B. durch Lending, Staking)[5] unter § 22 Nr. 3 EStG fällt, liegt diesem Vorgang eine Leistung des Coininhabers gegenüber einem Dritten zugrunde. Daher ist der Bezug dieser Coins u. E. nach § 23 EStG als angeschafft zu qualifizieren. Der Begriff der Anschaffung ist mithin u. E.[6] dann erfüllt, wenn ein Leistungsbezug unter § 22 Nr. 3 EStG im hier verstandenen Sinne, d. h. Leistungsbeziehungen zu Dritten[7] vorliegen. Wenn der Bezug der weiteren Coins als durch Zurverfügungstellung von Coins erfolgt, die eine Fremdwährung darstellen[8] und der Bezug dieser weiteren Coins (die ebenfalls eine Fremdwährung darstellen) unter § 20 EStG fällt, ist § 23 EStG wegen der Subsidiaritätsklausel in § 23 Abs. 2 EStG nicht anwendbar. Die spätere Veräußerung dieser Coins ist dann nach § 20 Abs. 2 EStG steuerpflichtig.

Bezug durch Mining

Wegen der o. g. Ausnahme für selbst hergestellte Wirtschaftsgüter liegt u. E. beim Mining, welches der Anleger ausschließlich selbst betreibt, keine Anschaffung vor. Das BMF nimmt hingegen einen Anschaffungsvorgang an.[9]

Zufluss als Zahlungsbetrag

Eine Anschaffung liegt auch vor, wenn die Kryptowährung dem Empfänger als Zahlungsbetrag (z. B. zur Lohnzahlung[10] oder Mietza...

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