a) Aktuelle Rechtsprechung

Der EuGH hat – allerdings im Hinblick auf die Umsatzsteuer – mit Urteil vom 22.10.2015[1] entschieden, dass es sich bei dem Umtausch von Coins einer Kryptowährung in eine herkömmliche Währung und umgekehrt um Dienstleistungen handelt, die jedoch nach Art. 135 Abs. 1 lit. e MwStSystRL steuerfrei sind, da die Umsätze mit einem herkömmlichen Währungsumtausch vergleichbar seien.

Der BFH hat mit Urteil vom 14.2.2023[2] entschieden, dass Gewinne, die aus der Veräußerung von Kryptowährungen erzielt werden, im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts einkommensteuerpflichtig sind. Bei den Kryptowährungen handele es sich um "andere Wirtschaftsgüter" i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die vom Kläger gehandelten Kryptowerte (Bitcoin, Ethereum und Monero) seien verkehrsfähig und selbstständig bewertbar. Zudem bestehe eine strukturelle Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen.

Der Tausch einer Kryptowährung gegen einer andere Kryptowährung stelle eine Anschaffung bzw. Veräußerung nach § 23 EStG dar. Ein sog. strukturelles Vollzugsdefizit sieht der BFH weder in den Streitjahren noch im Zeitpunkt seiner Entscheidung.

Die Zurechnung der Kryptowährungen nimmt der BFH hierbei über die Vorschrift des § 39 Abs. 1 AO vor und rechnet diese dem Eigentümer zu. Dies überrascht insoweit, als der BFH den Eigentumsbegriff – wie er selbst einräumt – über den Wortlaut hinaus im Wege einer teleologischen Extension sehr weit ausdehnt.[3] Der BFH versteht den Eigentumsbegriff insoweit nicht zivilrechtlich, sondern wirtschaftlich und stellt insoweit auf eine faktische Berechtigung (im Sinne einer "unbeschränkten Herrschaftsmacht") ab. Diese Rechtsposition soll der Inhaber des Private Keys innehaben. Das BFH kommt in seinem Schreiben vom 10.5.2022[4] zum gleichen Ergebnis, nimmt die Zurechnung aber über das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 AO vor. Wie mit Fällen umzugehen ist, bei denen mehrere Personen den Private Key kennen, hat der BFH offengelassen.

Im Urteil vom 2.2.2022 zu Cum/Ex Geschäften hatte der BFH[5] bereits angedeutet, dass er dazu tendiert, bei Kryptowährungen von Wirtschaftsgütern auszugehen und folgendes ausgeführt: "Im Übrigen bleiben diese Grundsätze ungeachtet der Gesetzesformulierung (§ 39 AO verwendet den Wirtschaftsgutbegriff erkennbar in der ‚analogen Variante‘) auch in den Fällen von Bedeutung, in denen ein Wirtschaftsgut "nur digital existiert" (z. B. bei Kryptowährungen oder bei ‚datenbasierten Einkunftsquellen‘ … oder Abläufe im Zusammenhang mit der Verfügung über Wirtschaftsgüter weitgehend digitalisiert sind."[6]

Die Finanzgerichte haben in der Vergangenheit wie folgt divergierend entschieden:

Mit Entscheidung vom 2.3.2018 hat das FG Baden-Württemberg[7] (zum An- und Verkauf von Finaltickets) durchblicken lassen, dass es eine Besteuerung von Spekulationsgeschäften mit Kryptowährungen ebenso wenig für zulässig halte, wie die seiner Entscheidung zugrundeliegenden Geschäfte mit Finaleintrittskarten zu Sportveranstaltungen.

Das FG Berlin-Brandenburg hatte hingegen in seiner Entscheidung vom 20.3.2019[8] im Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz keine Zweifel, dass Spekulationen mit Kryptowährungen nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG steuerpflichtig sind.

Am 29.10.2019 hat der BFH[9] in der Revision gegen die o. g. Entscheidung des FG Baden-Württemberg den Begriff des Wirtschaftsgutes sehr weit gefasst. Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 EStG sei alles, was sich der Käufer etwas kosten lasse und somit auch UEFA–Cup- Eintrittskarten.

Mit Entscheidung vom 8.4.2020 mahnt das FG Nürnberg[10] in einem ADV-Verfahren eine vollständige und zutreffende Erfassung und Aufklärung des zu entscheidenden Sachverhalts durch das Finanzamt an. Bei einer Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut, müsse möglichst klar sein, worüber man eigentlich entscheide, was eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der in den Blick genommenen Kryptowährung erfordere. Im entschiedenen Fall ging es um die Besteuerung von Geschäften mit der Kryptowährung ETH (Ethereum). In der Begründung der Einspruchsentscheidung sei dann vielfach von Bitcoins (BTC) und allgemein von Kryptowährungen die Rede gewesen. Im späteren Hauptsacheverfahren sei zu prüfen, ob eine konkrete Kryptowährung ein Wirtschaftsgut darstelle und somit ihr An- und Verkauf einen Besteuerungstatbestand nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG erfülle.

Das FG Baden-Württemberg vertritt mit Urteil vom 11.6.2021[11] die Auffassung, dass Gewinne, die ein Steuerpflichtiger aus der Veräußerung von Kryptowährungen erlangt, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften darstellen und demzufolge steuerpflichtig sind.[12] Das Gericht bewertet Coins einer Kryptowährung als immaterielle Wirtschaftsgüter. Die gegen das Urteil eingelegt Revision vor dem BFH[13] wurde zurückgenommen.

Das FG Köln hat mit Urteil vom 25.11.2021[14] entschieden, dass Gewinne, die aus der Veräußerung von Kryptowährungen erzielt werden, im Rahmen eines privaten Veräußerung...

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