BFH-Rechtsprechung löst gesetzliche Änderungen aus: Die einkommensteuerliche Behandlung von Kosten des Studiums sowie der Berufsausbildung hat in den letzten Jahren mehrfache gesetzliche Veränderungen erfahren. Dabei war Ausgangspunkt dieser Änderungen, die sodann

  • im BeitrRLUmsG v. 7.12.2011[1] bzw.
  • dem Zollkodex-Anpassungsgesetz v. 22.12.2014[2]

ihren derzeitigen Abschluss gefunden haben, Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2002, durch welche eine Abkehr von der sog. "Lebenskampftheorie" des RFH eingeläutet wurde.

Der RFH hatte nämlich den Ansatz verfolgt, dass Aufwendungen für "die Erlangung der für den Lebenskampf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten ... grundsätzlich der privaten Sphäre" zuzuordnen sind. Er begründete diese Rechtsauffassung damit, dass solche Kosten noch nicht in einem konkreten und direkten Zusammenhang mit einer späteren Berufstätigkeit stünden. Vielmehr entstünden solche Aufwendungen jedem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der privaten Lebensführung[3].

Jahrzehntelang folgten dann Finanzverwaltung und Rechtsprechung dieser Rechtsauffassung. Damit waren Kosten für ein Erststudium bzw. eine Erstausbildung – unabhängig davon, ob die Ausbildung berufsbegleitend absolviert wurde oder nicht – nur nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. als dem Sonderausgabenabzug unterfallende Berufsausbildungskosten zu behandeln.

Beachten Sie: Demgegenüber konnten Kosten im Hinblick auf ein Zweitstudium bzw. eine zusätzliche Ausbildung Werbungskosten (WK) oder Betriebsausgaben (BA) sein, wenn hierdurch lediglich das aufgrund des Erststudiums bzw. der beruflichen Erstausbildung erworbene Wissen vertieft respektive erweitert wurde. Beachten Sie: Allerdings schied der WK/BA-Abzug wiederum aus, wenn hierdurch ein Berufswechsel ermöglicht werden sollte[4].

Ab dem Jahr 2002 vertrat der BFH demgegenüber dann die Rechtsauffassung, dass diese Ansicht in Anbetracht

  • der tiefgreifenden Änderungen und Entwicklungen im heutigen Berufsleben sowie
  • der zunehmenden Arbeitslosigkeit

nicht mehr haltbar sei. Der Arbeitnehmer wäre heute vielmehr gezwungen, sich stets fortzubilden, umzulernen und ggf. einen gänzlich anderen Beruf zu erlernen. Auch stünden Arbeitnehmer nach mehreren Berufsjahren vor der Situation, dass sie eine höher bezahlte berufliche Position nur nach Absolvierung eines Hochschulstudiums erlangen können. Insbesondere sei das aktive Berufsleben durch einen zunehmenden Arbeitsplatzwechsel geprägt. Insofern wären Kosten für ein erstmaliges Studium bzw. eine erstmalige Berufsausbildung – wie entsprechende Aufwendungen, die einen Berufswechsel vorbereiten sollen – Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG bzw. betrieblich verursachte Kosten i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG. D.h. sie stünden in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit angestrebten steuerbaren Einnahmen[5].

Beraterhinweis Ab dem Jahr 2002 vollzog der BFH eine Abkehr von einer restriktiven Behandlung von Bildungsaufwendungen als (vorweggenommene) WK/BA, die noch auf die Rechtsprechung des RFH zurückging.

"Hin und Her" zwischen Gesetzgeber und BFH: Der Gesetzgeber war bemüht, dieser Rechtsprechung ein Stück weit entgegenzuwirken, der BFH seinerseits nutzte in der Folgezeit Schwachstellen in der – seine Rechtsprechung überschreibenden – Gesetzesformulierung, um Bildungsaufwendungen möglichst doch als (vorweggenommene) WK/BA behandeln zu können. Dies löste dann abermalige "Korrekturen" durch den Gesetzgeber aus[6].

Den vorerst letzten Streitpunkt, der darin bestand, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, dass

  • Kosten eines Erststudiums/einer ersten Berufsausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses nur als Sonderausgaben Berücksichtigung finden können,
  • hingegen Aufwendungen für das Zweitstudium/eine zweite Berufsausbildung als WK/BA abzugsfähig sind,

hat das BVerfG derart beantwortet, dass die Differenzierung dadurch gerechtfertigt sei, dass ein Erststudium und eine erste Berufsausbildung oftmals der Persönlichkeitsentwicklung dienten, mithin kein hinreichender Zusammenhang zur Einkunftserzielung bestünde, so dass der Verweis allein auf den Sonderausgabenabzug zulässig sei[7]. Ob das Aufgreifen von Argumentationssträngen der sog. "Lebenskampftheorie" überzeugend ist – insbesondere der heutigen Berufswirklichkeit entspricht –, soll hier nicht beantwortet werden.

[1] BGBl. I 2011, 2592.
[2] BStBl. I 2014, 2417.
[3] RFH v. 24.6.1937 – IV A 20/36, RStBl. 1937, 1089.
[4] H 34 LStH a.F.
[6] Vgl. zur Gesetzesentwicklung Gehm, StW 2020, 188.
[7] BVerfG v. 19.11.2019 – 2 BvL 22/14 u.a., NJW 2020, 458 mit Anm. Gehm.

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