a) Regelungsgedanke des § 459g Abs. 4 StPO

Wenn der nach Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung festgestellte niedrigere Steueranspruch keine Auswirkung mehr für die Einziehungsentscheidung haben kann, kommt eine Beschränkung der Einziehung nur noch auf der Vollstreckungsebene in Betracht.

Im Zuge der Reform der Vermögensabschöpfung im Strafrecht hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, Härten, die im Einzelfall mit der Wertersatzeinziehung verbunden sein können, nicht bereits im Erkenntnisverfahren (§ 73c StGB a.F.), sondern erst im Rahmen der Vollstreckung zu berücksichtigen (vgl. Bröckers in Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren (2019), Rz. 371).

Härtefallregelung: Auf der Vollstreckungsebene findet sich hierzu die Vorschrift des § 459g Abs. 4 StPO. Hiernach hat das Gericht den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB anzuordnen, soweit der aus der Tat erwachsene Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Werts des Erlangten erloschen ist. Beachten Sie: Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

Die Vorschrift korrespondiert mit der Regelung des § 73e Abs. 1 StGB und wurde für den Fall geschaffen, dass das Erlöschen des Rückgewähr- oder Ersatzanspruchs, der Gegenstand der Einziehung ist, erst nach der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung (Anordnung der Einziehung) eintritt und daher im Erkenntnisverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann (ähnlich – allerdings auf den Zeitpunkt der Anordnung der Einziehung abstellend – Coen in BeckOK/StPO, § 459g StPO Rz. 15 [Okt. 2021]).

b) Rechtsschutz gegen die Vollstreckungsentscheidung

Sollen aufgrund der im Erkenntnisverfahren ergangenen, rechtskräftigen Einziehungsentscheidung Vermögenswerte eingezogen werden, die betragsmäßig über dem finanzgerichtlich festgestellten Steueranspruch liegen, kann gegenüber der Vollstreckungsbehörde eingewendet werden, dass der von der Einziehung betroffene Anspruch insoweit erloschen ist. Das Gericht hat dann gem. § 459g Abs. 4 StPO in diesem Umfang den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB anzuordnen.

Alternativ kann geltend gemacht werden, dass die Vollstreckung unverhältnismäßig ist, soweit der Steueranspruch – finanzgerichtlich festgestellt – nicht besteht. In diesem Fall hat auf Anordnung des Gerichts nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO die Vollstreckung zu unterbleiben.

Beraterhinweis Gegen eine ablehnende Entscheidung des Gerichts kann nach § 462 StPO sofortige Beschwerde eingelegt werden.

Beachten Sie: Nach § 459o StPO hat über Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach den §§ 459a, 459c, 459e sowie 459g bis 459m StPO das Gericht zu entscheiden. Damit fallen auch Einwendungen gegen die Vollstreckung von Nebenfolgen nach § 459g StPO in den Anwendungsbereich des § 459o StPO. Zuständig für diese Einwendungen ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszugs, § 462a Abs. 2 StPO (vgl. Nestler in MüKo StPO, § 459o Rz. 8).

c) Korrektur der Einziehungsentscheidung im Verhältnis zur Finanzbehörde

aa) Überhöhte Auskehrung an den Fiskus

Einwendungen wegen einer überhöhten Einziehung gegenüber der Vollstreckungsbehörde laufen ins Leere, wenn die Vollstreckungsbehörde den eingezogenen Betrag bereits an die Finanzbehörde ausgezahlt und damit den Auskehranspruch des Fiskus gegenüber der Vollstreckungsbehörde nach § 459h Abs. 2 StPO erfüllt hat. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob gegenüber dem Fiskus die Rück- bzw. Auszahlung des überhöht ausgekehrten Betrages geltend gemacht werden kann.

bb) Rechtsgrund für das Behaltendürfen

Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Finanzbehörde einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des ausgekehrten Betrages hat (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 375 AO Rz. 29a [April 2021]).

Ein derartiger Rechtsgrund kann nur in dem Steueranspruch gegenüber dem Steuerpflichtigen selbst liegen. Dem steht die Einziehungsentscheidung nicht entgegen. Sie begründet nur den von der Vollstreckungsbehörde zu erfüllenden Auskehranspruch des Fiskus, stellt also nur einen Rechtsgrund im Verhältnis von Vollstreckungsbehörde zu Einziehungsadressat dar. Über die strafrechtliche Einziehung erlangt der Fiskus nur eine vorläufige Sicherung unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Finanzgerichtsentscheidung (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 375 AO Rz. 29a f. [April 2021]). Allein diese ist maßgeblich für das Bestehen oder Nichtbestehen des Steueranspruchs (vgl. Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 375 AO Rz. 29c [April 2021]).

cc) Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO

Nach § 37 Abs. 2 S. 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine (Steuer-) Zahlung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist, gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Nach § 37 Abs. 2 S. 2 AO gilt dies auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Ein derartiger Wegfall des rechtlichen Grundes kann auch darin gesehen werden, wenn zwar die Zahlung selbst bei einer Betrachtung ex tunc nicht rechtsgrundlos erfolgte, es jedoch bei einer Ex-nunc-Betrachtung an einem Rechtsgrund für das Behaltendürfen des ausgekehrten Betrages mangelt.

Im Fall eines überschießenden, von der Vollstreckungsbehörde an den Fiskus ausgekehrten Betrag...

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