Rz. 1

[Autor/Stand] Nach § 400 AO ist den FinB das Recht einräumt, ein von ihr selbständig geführtes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu beenden. Die Regelung erklärt sich weitgehend aus dem Umstand, dass das BVerfG[2] das frühere steuerstrafrechtliche Unterwerfungsverfahren, das von den FinB abgewickelt wurde und sich in vielen Fällen bewährt hatte, als verfassungswidrig angesehen hatte. Die Strafbefugnisse der FinB waren vormals in den §§ 410, 412 Abs. 1 RAO 1919, §§ 445, 447 Abs. 1 RAO 1931 geregelt. Vorläufer des § 400 AO war der durch Art. 1 Nr. 1 AOStrafÄndG vom 10.8.1967[3] eingefügte § 435 RAO; die AO 1977 brachte lediglich redaktionelle Änderungen[4].

Durch die Aufnahme des Strafbefehlsverfahrens in die AO wurde den FinB auch weiterhin die Möglichkeit gegeben, Steuerstrafverfahren in einem vereinfachten Verfahren – allerdings durch richterliche Entscheidung = Strafbefehl – zu erledigen[5]. § 400 AO dient daher der Beschleunigung des Verfahrens und führt gleichzeitig zu einer Entlastung der StA.

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Wesentliche Änderungen hat das Strafbefehlsverfahren durch das StVÄG 1987[7] erfahren, die dazu dienen sollten, dessen Effizienz weiter zu steigern und vorhandene Zweifelsfragen hinsichtlich einer Gleichstellung von rechtskräftigem Strafbefehl und Verurteilung im ordentlichen Verfahren sowie hinsichtlich der Probleme von Rechtshängigkeit und Rechtskraft gesetzlich abschließend zu beantworten. So stand es nach der früheren Fassung des § 407 Abs. 1 StPO im pflichtgemäßen Ermessen der StA, ob sie einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellte oder sich für eine Anklageerhebung entschied. Nach der Neuregelung in § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO "stellt" die StA diesen Antrag, "wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet", was auf eine "Verpflichtung" unter den gegebenen Voraussetzungen hinausläuft[8].

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Mit dem RPflEntlG 1993[10] wurde die Anwendbarkeit des Strafbefehlsverfahrens über den Bereich der Geldstrafensanktion hinaus erweitert: Neben der weniger bedeutsamen Möglichkeit des § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO, auch durch Strafbefehl von Strafe absehen zu können, ist hier vor allem die Neuregelung des § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO hervorzuheben, nach der gegen einen verteidigten Angeschuldigten eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr festgesetzt werden kann, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird (s. Rz. 82 ff.).

Bedenken gegen diese Regelung ergeben sich vor allem aus der Tatsache, dass es erfahrungsgemäß in ca. 40 % aller Fälle zu einem Widerruf der Bewährung kommt[11]. Überdies setzt die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (bis zu sechs Monaten) gem. § 47 StGB als gegenüber der Geldstrafe zurücktretende Ausnahme eine umfassende Würdigung von Tat und Täter voraus, die im Strafbefehlsverfahren kaum zu gewährleisten ist (s. Rz. 56).

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Durch das 1. JuMoG vom 24.8.2004[13] wurde schließlich in § 408a Abs. 1 Satz 2 StPO die Möglichkeit für die StA eingeführt, nach Eröffnung des Hauptverfahrens den Strafbefehlsantrag mündlich zu stellen. Gemäß § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO kann das Gericht seitdem über einen Einspruch, der sich allein auf die festgelegte Tagessatzhöhe beschränkt, durch Beschluss entscheiden (s. Rz. 197).

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019[15] wurde durch die Neufassung des § 408b StPO klargestellt, dass bei einer beantragten Freiheitsstrafe ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist[16] (s. Rz. 83).

 

Rz. 5.1

[Autor/Stand] Die "COVID-19-Gesetzgebung" hat den strafprozessrechtliche Rahmen der §§ 407 ff. StPO beibehalten (s. § 385 Rz. 735.3). § 10 EGStPO regelt lediglich die Unterbrechungsfristen für Hauptverhandlungen neu, was im Falle der Einspruchseinlegung zwar mittelbar von Bedeutung sein kann, jedoch nicht unmittelbar an die Regelungen zum (sachlichen) Anwendungsbereich und zur Zulässigkeit anknüpft[18].

 

Rz. 5.2

[Autor/Stand] Ausblick: Auch wenn das Verbandssanktionengesetz[20] in dieser Legislaturperiode nicht verabschiedet wurde, bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. So sieht § 50 VerSanG-E i.V.m. der entsprechenden Anwendung der § 407 Abs. 1 Satz 2–4, Abs. 3, § 408 Abs. 2 und 3, § 408a und §§ 409412 StPO (gem. § 50 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 VerSanG-E) ein Sanktionsbescheidverfahren vor. Dabei handelt es sich um ein dem Strafbefehlsverfahren weitestgehend nachgeformtes – laut BMJV "summarisches" – Sanktionierungsverfahren, bei dem das Gericht auf Antrag der Verfolgungsbehörde durch schriftlichen Sanktionsbescheid ohne Hauptverhandlung Verbandssanktionen bzw. Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VerSanG-E) anordnen kann. Es ist mithin eine zum Regelverfahren (i.S.d. sechsten Buches der StPO, §§ 407448 StPO) alternative, besondere Verfahrensart, die nur in wenigen Punkten die entsprechende Anwendung der Vorschriften zum Strafbef...

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